Lässt Autos im Aufzug verschwinden
Seit gut einem Monat gibt es in Santiago in der Calle Suecia einen der ersten Autofahrstühle. «Etwas ganz Neues erfinden, das genau unsere Kunden brauchen und dabei noch ein gutes Design hat», das ist das Anliegen des Architekten Carlos Bauer.
Von Silvia Kählert
Der Deutsch-Chilene liebte es schon von klein auf zu tüfteln und zu bauen. Als Kind verbrachte Carlos Bauer viele Stunden mit seinem Baukasten von Fischertechnik. «Das habe ich wohl von meinem deutschen Großvater geerbt», erklärt er sich diese Leidenschaft am kreativen Konstruieren. Der Großvater Arno Bauer Heinze stammte aus Hormersdorf in Sachsen. «Sein Sächsisch war stark ausgeprägt und für andere Deutsche schwer zu verstehen», erinnert sich der Enkel belustigt. Der Ingenieur war in den 1920er Jahren in ganz Südamerika unterwegs. Er arbeitete für eine Firma, die Maschinen zum Herstellen von Strümpfen verkaufte. Seine Aufgabe war es, die Maschinen vor Ort aufzubauen. Schließlich lernte er Carlos Bauers chilenische Großmutter kennen und lieben und gründete hier seine Familie. Der Sachse kaufte sich selber einige der Maschinen und machte sich mit der Firma Arnold für Kinderkleidung selbständig.
«Mein Opa sprach nur Deutsch mit mir», erinnert sich Carlos Bauer. Daher war klar, dass er die Deutsche Schule in Ñuñoa besuchte. «Bis heute treffe ich mich regelmäßig mit meinen 30 Klassenkameraden.» Auch beruflich habe er sich an deutschen technischen Entwicklungen orientiert.
Eigenes Architekturbüro in Providencia
Nach dem Studium der Architektur an der Universidad Mayor arbeitete er einige Jahre als Angestellter. «Ich wollte aber gerne meinen eigenen Stil entwickeln, selber entscheiden, was für Materialien, welche Farbe und Größe ich wähle, und selber planen», begründet der 45-Jährige seine Entscheidung, sich im Jahr 2.000 mit seinem eigenen Architektur-Büro selbständig gemacht zu haben. Inzwischen arbeiten bei «Bauer Arquitectos» in Providencia sechs Zeichner und Architekten.
Wie entstand die Idee mit den Fahrstühlen für Autos? «Ich stellte fest, dass einerseits die Grundstückspreise im Zentrum Santiagos immer teurer werden, gleichzeitig aber viele Bewohner ein Auto haben wollen», erklärt er. Gerade im Umkreis von Metro-Stationen versuche die Stadt dafür zu sorgen, dass Parkplätze teuer sind. Die Technik gebe es schon länger: «In den 20er Jahren wurden in den USA erstmals Aufzüge für Autos gebaut. Diese perfektionierten die Deutschen in den 30er Jahren.» Für seine Kunden entwickelte er daher einen Lift, der einfach, nicht zu teuer, aber effizient ist. «Vor allen Dingen ist unser Autofahrstuhl umweltschonend und energie- und platzsparend, weil nicht so viel Erde ausgehoben werden muss.» Der im März fertiggestellte Lift befindet sich in einem Haus mit zehn Wohnungen, und es passen auch genau zehn Autos hinein. Man fährt auf eine Plattform, steigt aus und drückt auf einen Knopf an der Wand. Automatisch fährt das Auto einen Stock hinunter, so dass der nächste einparken kann.
Bioklimatisierung
Eine ebenso ungewöhnliche, aber gleichzeitig sehr effiziente Lösung entwickelte der Santiaguino für eine Zementfabrik in Arica: Ein sogenanntes Aerodomo, ein Gebäude, das aus nicht entzündbaren Stoffwänden besteht. Es handelt sich um ein Lager mit einer Fläche von 15.000 Quadratmetern. Für eine andere Firma plante er bei Casablanca ein Bürogebäude von 500 Quadratmetern, ebenfalls mit Stoffwänden und vor allem: «Es gibt eine Bioklimatisierung.» Durch Öffnungen in den Wänden und das konkave Dach werden die natürlichen Winde umgeleitet, um das Gebäude quasi mechanisch innen angenehm kühl zu halten.
In zwei Monaten werden die Büros eingeweiht und 25 Mitarbeiter können einziehen. «Entscheidend für diese Art von Gebäuden ist die Qualität des Stoffes.» Den geeigneten Leinenstoff habe er bei der Messe Domotex in Hannover entdeckt und verwendet auch nur diesen. «Die Vorteile der Aerodomos sind, dass der Bau günstig, schnell und sehr flexibel ist. Man kann ihn leicht verkleinern oder erweitern.» Was passiert, wenn doch mal der Stoff reißt und ein Loch entsteht? «Nichts leichter als das: Das ist wie beim Fahrradreifen Reparieren. Mit einer Art Pistole flickt man die Stelle mit einem Schuss.»
Das architektonische Erbe Chiles erhalten
Neuerdings ist Carlos Bauer dabei, ein Gebäude in Providencia mit Wohnungen, Geschäften und Lokalen zu planen. Die Herausforderung wird sein, einige Gebäude aus dem Jahr 1930 in den neuen Bau zu integrieren. «Es soll das architektonische Erbe Chiles erhalten bleiben und trotzdem ein neues einheitliches und schönes Gebäude entstehen», betont er.
Stolz ist der Architekt, dass er sich inzwischen auch außerhalb Chiles einen Namen gemacht hat: Dieses Jahr ist eines seiner Projekte in dem weltweit renommierten Architekturmagazin ArchDaily schon das zweite Mal in Folge ausgewählt worden. Das Wohnhaus am Lago Rapel – ganz aus Holz und Stein – fügt sich elegant in die Natur ein. Es gehört zu einem von 1.000 Projekten, unter denen die Leser das «Gebäude des Jahres 2019» aussuchen werden.
Für ihn stehen die Wünsche der Kunden im Mittelpunkt seiner Arbeit. Um diese herauszufinden, verbringt er viel Zeit mit intensiven Gesprächen. Auch ein Grund, warum er mit dem Motorrad unterwegs ist, das es ihm im Stadtverkehr erlaubt, schneller bei den Kunden und zeitlich flexibel zu sein. Schnelligkeit und vor allem Ausdauer braucht er auch für sein Hobby: Seit zwei Jahren läuft der Chileno-Alemán Halbmarathons über rund 21 Kilometer. «Das brauche ich als Ausgleich: Manchmal kommen mir auch beim Laufen die besten Ideen.»