Vor 200 Jahren erschien der klassische Abenteuerroman
Vor 200 Jahren, am 25. April 1719, veröffentlichte Daniel Defoe (1660 – 1731) in London seinen «Robinson Crusoe», ein Abenteuerroman mit politischer und pädagogischer Botschaft, der zur klassischen Weltliteratur gehört. Doch was hat er mit Chile zu tun?
Von Peter Downes
Noch im Jahr der Erstveröffentlichung 1719 wurden zwei weitere Editionen des Romans «Robinson Crusoe» herausgegeben. Das Buch wurde ein Bestseller. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der sich den beruflichen Träumen seiner Eltern widersetzt und für sich selbst ein Abenteurerdasein als Seemann ersehnt. Statt des gesicherten Lebens eines Mittelständlers will Robinson in die Ferne reisen. Mit diesem Motiv hat das Buch seine Aktualität beibehalten, denn die Abenteuerlust ist auch bei den heutigen Jugendlichen sehr verbreitet und war im 17. und 18. Jahrhundert – im kolonialen Zeitalter – prägend auch für die Expansionspolitik der europäischen Mächte.
Einsiedler auf einer einsamen Insel
Statt Ruhm und Glück erlebt der junge Abenteurer aber zunächst die Sklaverei an der Küste Afrikas und dann die Katastrophe eines Schiffbruches. Aus dem Abenteuer wird schließlich ein 28 Jahre andauernder Alptraum. Verschlagen auf einer einsamen Insel überlebt er durch sein Gottesvertrauen und indem er sich die Ressourcen «seiner Insel» zunutze macht, sich eine Hütte baut, das Land kultiviert, fischt und Tiere züchtet. Nach 24 Jahren in völliger Isolation, rettet er das Leben eines zum kannibalischen Opfer bestimmten Einheimischen, den er den Namen «Freitag» gibt und von dem er verlangt, «Herr» genannt zu werden.
Defoe rechtfertigt geradezu den Kolonialismus. Die Motive von Kannibalismus und Sklaverei in Afrika und Amerika wurden auch bei den aufklärerischen Philosophen seiner Zeit, etwa von Voltaire und Montesquieu, aufgegriffen, jedoch stark hinterfragt. Robinson wird seinem Diener Freitag denn auch «zivilisieren» und christianisieren – ganz im Sinne der kolonialen Legitimation der iberischen Kronen. Doch bald sieht er in ihm auch den Freund und Schicksalsgenossen.
Das Schicksal von Alexander Selkirk
Was hat der Roman mit Chile zu tun? Die Verbindung erklärt sich aus einer historischen Begebenheit: das Schicksal des Schotten Alexander Selcraig (Selkirk, 1676 – 1721), der wegen Meuterei vom Kapitän William Dampier auf der Isla Más a Tierra ausgesetzt wurde und dort die Jahre 1704 bis 1709 verbrachte. Die Rettung aus der Einsamkeit kam mit der Ankunft des Kaperschiffs Duke unter der Leitung des Kapitäns Woodes Rogers.
Es ist wohl der Bericht Selkirks, der Daniel Defoe inspirierte und damit die Basis seines Romans bildete. Dieser Bericht wurde 1712 im Crusing Voyage des Kapitäns Rogers aufgenommen und erschien dann nochmals 1713 in der von Richard Steele herausgegeben Zeitschrift «The Englishman». Die Suche nach dem Originalbericht (Tagebuch) Selkirks ist bisher gescheitert. Die Vermutung des schottischen Archäologen David Caldwells, es müsse sich in der Berliner Staatsbibliothek befinden, hat sich jedenfalls nicht erwiesen.
Suche nach der Behausung von Robinson Crusoe
Caldwell suchte aber nicht nur nach dem «Tagebuch», sondern unternahm 2008 gemeinsam mit dem japanischen Archäologen Daisuke Takahashi eine Grabungsexpedition auf der Suche nach Selkirks Lagerplatz. Tatsächlich fanden sie ein Teil eines Stechzirkels an der vermuteten Stelle, was jedoch von den Kieler Geoarchäologen Andreas Mieth und Hans-Rudolf Bork 2011 in Frage gestellt wurde. Sie wiesen dieses Fundstück eher einem spanischen Stützpunkt zu, statt der Behausung des ausgesetzten Schotten. Ihnen gelang es aber dann, dem Rettungsbericht Selkirks folgend, das tatsächliche Lager mitten im Wald auf der Insel zu ermitteln.
Zwei Inseln des Archipels Juan Fernández wurden 1966 zu Ehren Defoes und Selkirks offiziell umbenannt. Aus der Isla Más a Tierra wurde die Isla Robinson Crusoe – sie zählt heute mehr als 1000 Einwohner – und aus der Isla Más Afuera wurde die Isla Alejandro Selkirk. Somit sind Robinson Crusoe und Alexander Selkirk, Fiktion und Wirklichkeit, in einem «geographischen Gedenken» mit dem Archipel Juan Fernández und damit sogleich mit Chile verewigt.