Blinddate mit einem Buch
Am 23. April ist der Welttag des Buches – ein Versuch, insbesondere bei Kindern die Gewohnheit des Lesens zu fördern, wozu die Bibliotheken immer kreativer werden müssen. Der Cóndor fragte die Bibliothekarinnen der Deutschen Schule Santiago nach ihren Strategien.
Von Silvia Kählert
Fast alle Plätze in der Bibliothek der Deutschen Schule in Vitacura sind besetzt. In der Pause spielen mehrere Jungen Schach oder ein anderes Brettspiel, einige Mädchen mit Puppen und Bauklötzen. Die meisten aber lesen konzentriert in einem Buch. Offensichtlich gelingt es Heidi Büttinghausen und Gerda Leiva, die Schüler zu motivieren. Richtig ins Zeug gelegt haben sich die beiden Bibliothekarinnen und ihre Kollegin in Las Condes, Antje Wilckens, für den Tag des Buches: Mehrere spannende Aktionen sind geplant.
«Warum und was lest ihr gerne? Auf kleinen Zetteln sollen uns die Kinder in kurzen Sätzen eine Antwort aufschreiben», erklärt Heidi Büttinghausen. «Dann heften wir die Antworten in der Pause auf die Pinnwand draußen im Gang, wo viele vorbeilaufen und mal einen Blick darauf werfen können», stellt sich Gerda Leiva vor. Die Idee der beiden Frauen ist: «Das lesen auch Kinder, die normalerweise nicht so viel Interesse an Büchern haben, und vielleicht durch eine der Antworten ihrer Schulkameraden doch Lust dazu bekommen.»
In der Familie über Bücher sprechen
Bei der zweiten Aktivität geht es darum, die Schüler dazu zu animieren auch mal ein Buch in die Hand zu nehmen, das sonst eher selten gelesen wird. «Vielleicht, weil der Einband nicht so schön ist. Wir wissen aber, dass dies eigentlich ein sehr interessantes und empfehlenswertes Buch für junge Leser wäre», so Heidi Büttinghausen.
Dazu werden alle Stühle aus dem Raum entfernt und stattdessen einige große Tische aufgestellt. «Auf diese legen wir dann Bücher zu Themen aus, wie Zoologie, Astrologie oder Rom. Diese schreiben wir auf Schilder, die von der Decke über die Tische baumeln», beschreibt Gerda Leiva.
Das Gleiche nur nach Alter aufgeteilt haben die zwei Frauen für den Literaturraum der Bibliothek geplant. «Es ist einfach gut, mit frischen Ideen neue Anregungen zu geben. Wenn die Bücher auf den Tischen liegen, werden sie eher mal in die Hand genommen und darin geblättert», ist ihre Erfahrung.
Vater, Mutter und Geschwister sollen miteinbezogen werden
Die dritte Aktion soll eine echte Überraschung für die Kinder und ihre Familien werden. «Denn Vater und Mutter und eventuell Geschwister sollen auch einbezogen werden – damit das Lesen auch in der Familie Einzug hält». Nur den Namen geben sie preis: «Cita a ciega con el libro – Blinddate mit einem Buch.»
Für die Siebt- und Achtklässler hat Antje Wilckens in der Deutschen Schule in Las Condes etwas vorbereitet: «Es handelt sich um ein Fragequiz: Die Schüler bekommen Kärtchen mit Aufgaben. Zur Beantwortung müssen sie in die Bibliothek kommen und in den Büchern recherchieren.»
Im vergangenen Jahr gab es in dem großen Raum einen Umbau. «Nun kommen viel mehr Jugendliche. Besonders gut angenommen wird unsere neue Spiele-Ecke. Schach und Siedler von Catan sind besonders beliebt», hat die Bibliothekarin festgestellt. Gemeinsam mit der Deutschlehrerin Anna Theiling haben sie diese Idee entwickelt. Außerdem wurde eine Wand so angestrichen, dass Filme darauf gezeigt werden können. «Ab Mitte April können die Kinder immer in der Mittagspause dienstags und donnerstags die deutsche Serie „Türkisch für Anfänger“ anschauen», berichtet Antje Wilckens.
Zukünftige Englisch- und Deutsch-Ecke
Einmal im Jahr vor den großen Sommerferien trägt sie eine Bücher-Auswahl ins Lehrerzimmer, wo dann auch dankbar zugegriffen wird. «Denn auch Erwachsene und vor allem Eltern können gerne bei uns Bücher ausleihen». Eine neue Idee ist, künftig eine Englisch/Deutsch-Ecke einzurichten.
Für die sechs- bis zwölfjährigen in Vitacura gibt es eine Lese-Ecke mit Sitzkissen. «Die ist der Hit: Da flätzen sich immer einige zum Lesen hin», freut sich Heidi Büttinghausen. Täglich, schätzt sie, kommen rund 140 Kinder in die Bibliothek. Ein weiterer Anziehungspunkt ist die Rätsel-Tafel. «Einmal die Woche steht dort eine Aufgabe. Immer abwechselnd ist es in der einen Woche ein spanisches, in der nächsten ein deutsches Lösungswort.» Auch außerhalb der Bibliothek fördert die Deutsche Schule das Lesen. «Jeden Tag in der Woche morgens gibt es in der ersten Unterrichtsstunde 15 Minuten Lesezeit. Dazu hat jede Klasse ihre eigene kleine Bibliothek von circa 20 Büchern», beschreibt Heide Büttinghausen das Konzept.
Wichtig ist natürlich für die Bibliothek, immer genug Lesestoff anbieten zu können. Es gibt zwar Bücherspenden, aber meistens sind die Bände schon mindestens einige Jahre alt. Daher ruft Antje Wilckens die Eltern und Kinder auf: «Bringt uns die aktuellen Bücher gleich, nachdem ihr sie gelesen habt. Dann muss sich niemand mehr eins kaufen.»