Karriere in Deutschland mit dualer Ausbildung
«Meine duale Ausbildung war die beste Entscheidung.» Sandra Rodríguez Gericke unterrichtet nicht nur mit Freude, sondern auch aus Überzeugung am Insalco (Instituto Superior Alemán de Comercio). Ihr Weg hatte die Chilenin nach Deutschland geführt, wo sie ungewollt eine beachtliche Karriere machte.
Von Silvia Kählert
Die Grundlage für ihren Lebensweg legte die Deutsche Ursulinenschule Santiago: «Es war eine strenge Erziehung, die gleichzeitig wichtige Werte vermittelte.» Die Betriebswirtin ist dankbar sowohl durch deutschen Unterricht in Musik oder Heimatkunde als auch die religiöse Erziehung geprägt worden zu sein. Wie sich im Rückblick herausrausstellte, haben auch ihre Schulfreundinnen großen Einfluss auf ihren Werdegang genommen.
Ein Schüleraustausch als 16-Jährige in Deutschland hat ihren Weg bestimmt. Über ihre Gastfamilie bei Recklinghausen lernte sie ihren deutschen Mann kennen. Zunächst aber begann das Studium der Ingeniería Comercial in Santiago. Dafür absolvierte sie im Ruhrgebiet ein Praktikum bei der Deutschen Bank und das zweite bei einem Steuerbüro. Bevor es wieder nach Chile zurückging, überraschte ihr Freund sie mit einem Verlobungsring. «Eins aber war klar: Mein Studium beende ich, denn was ich anfange, mache ich auch zu Ende.»
«Mache eine Ausbildung – dann findest du eine Stelle.»
Als ihr Verlobter sie in Chile besuchte, folgte der Heiratsantrag. Dann ging alles Schlag auf Schlag. In Chile war es ohne große Formalitäten möglich, sich standesamtlich trauen zu lassen. So kam es, dass sie als verheiratete Frau 1992 mit ihrem Mann nach Oberhausen zog. Ihr Studienabschluss an der Universidad de Santiago wurde zunächst nicht anerkannt, und das gestaltete die Arbeitssuche schwierig. Bis ihr Claudia Soltmann, ihre Freundin aus der Ursulinenschule, wieder begegnete. Diese absolvierte gerade eine Ausbildung als Hotelfachfrau. Sandra fand ihren Rat, als den besten ihres Lebens: «Mache eine Ausbildung – dann findest du eine Stelle.»
Mit Hilfe der Familie ihres Mannes fand sie einen Ausbildungsplatz als Steuerfachgehilfin. Kaum war die Ausbildung beendet, vermittelte ihr die Steuerberatungsgesellschaft den nächsten Arbeitgeber: den Fußballverein MSV Duisburg. Bis dahin gehörte die Fußballwelt nicht zu ihren großen Interessen, aber nun war der tägliche Blick in die Tabellenwerte Pflicht. «Ich sorgte für den Jahresabschluss, die Finanzplanung und die Verlängerung der Lizenzverfahren.»
Eine nie geplante Karriere
Die Arbeit beim MSV Duisburg begann ihr zu gefallen. Daher reagierte sie zurückhaltend, als ihr drei Jahre später eine Freundin eine Stellenanzeige zuschickte: Die internationale Modefirma Mango mit Stammsitz bei Barcelona suchte in Oberhausen eine spanischsprachige Buchhalterin. «Ich war so wenig interessiert, dass ich fragte, ob ich beim Vorstellungsgespräch in der Karnevalswoche mit Verkleidungskostüm kommen könnte», erzählt sie lachend. Es nützte aber nichts: Die Firma stellte sie ein. «Obwohl ich nie eine Karriere geplant habe, startete ich nun eine.» Mango war in Deutschland auf Expansionskurs. So kam es, dass sie bald als Leiterin der Verwaltung mitverantwortlich für den Aufbau der Läden war. Sie stellte das Personal ein, organisierte die Verwaltung und die Buchführung. Gab es 1997 zu Beginn ihrer Tätigkeit nur zwei Geschäfte in Deutschland und sieben in Holland, waren es bis 2005 in Deutschland 45 und in Holland, Österreich, Polen und der Schweiz weitere 41. Sandra Rodríguez lud Magazine wie Petra oder Vogue ein und organisierte Showrooms und Modeschauen in Wien und Amsterdam.
Während dieser hektischen, beruflich erfüllten Zeit, begann ihre Ehe auseinanderzugehen. Zwischendurch dachte sie daran, in ihre Heimat zurückzukehren. Zumal seit Anfang 2000 auch Mango von der Krise in der Textilbranche betroffen war: Der Wettbewerb hatte zugenommen, die Kunden sparten und die Erträge sanken. Die Firma Mango baute in Deutschland ihre Marketing-Tätigkeiten ab. Sandra schloss schließlich das letzte Büro ab und brachte persönlich den Schlüssel in die Zentrale bei Barcelona zurück.
Rückkehr nach Chile
Es blieb ihr nur eine kurze Atempause. Bereits einen Monat später, im Januar 2006, wartete die nächste Aufgabe auf die Managerin: der Aufbau eines Büros von Extenda, der andalusischen Agentur für Außenhandelsförderung, in Düsseldorf. «Das war wieder ganz nach meinem Herzen», so Sandra. Denn wieder war ihr Organisationstalent gefragt: Die andalusischen Produkte, wie Gurken und Tomaten, Olivenöl, aber auch Flamenco, Energiewirtschaft und Tourismus bewarb sie mit Messen und Events. Als in Spanien die Wirtschaftskrise begann, wurden 2012 die 20 Büros der Extenda geschlossen. «Nun war der Zeitpunkt für mich gekommen, nach Chile zurückzukehren.»
Die Intuition gab ihr recht: Sie fand in ihrem ehemaligen chilenischen Jugendfreund ihre große Liebe. Beide sind seit fünf Jahren stolze Eltern des kleinen Joaquín. Durch ihre freiberufliche Tätigkeit kann sie alle ihre Interessen unter einen Hut bringen. Seit fast vier Jahren lehrt sie bei der Insalco Rechnungswesen, Wirtschaftslehre und Makro-Ökonomie. Nebenbei unterstützt sie ihren Mann in der Unternehmensberatung sowie Künstler wie die deutsche Ulrike Arnold, und die Stiftung für Kinder «Quien cuenta eres tu». An ihre Karriere in Deutschland denkt Sandra Rodríguez gerne zurück, aber ihr wahres Glück hat sie in Chile gefunden – sowohl beruflich als auch in der Liebe.