Andenreise des bedeutenden Amerikaforschers Eduard Friedrich Poeppig im 19. Jahrhundert – Teil 1
Die Berichte des deutschen Zoologen, Botanikers und Geographen Eduard Friedrich Poeppig (1798 – 1868) gehören zu den literarisch bedeutendsten Reisebeschreibungen. Neben Kuba, USA, Peru und Brasilien reiste der Leipziger Amerikaforscher auch durch Chile. Seine Andenreise war äußerst abenteuerlich.
Von Alois Schmidt
«Fällt schon am zeitigen Morgen ein milder, warmer Strahl der Sonne in das Tal, so ergießt sich eine Glorie der herrlichsten Beleuchtung, und zum erstenmal sieht man Chile in dem schönen Gewand, von dem die Bücher sprachen. Kein dürrer Hügel ist mehr sichtbar, denn eine zauberhaft schnell hervorgetretene Vegetation deckt sie. Eine Pflanze drängt die andere, und alle scheinen gleich begierig, ihre schönen Blütenkronen, nach langer und geheimer Gefangenschaft unter dem erhärteten Ton, der Sonne zu zeigen.»
In welchen Büchern, so fragt man sich, hat Eduard Poeppig etwas von Chile gelesen? Er muss am Ende seines Studiums der Medizin und Botanik in Leipzig (1815 – 1822) von seinem Lehrer Christian Schwägrichen, der immer von einer Reise nach Südamerika geträumt hatte, auf eine diesbezügliche Literatur hingewiesen worden sein. Seit 1808 erschienen ja erste Teile der Reisebeschreibung von Alexander von Humboldt, und von Georg Forsters Weltumseglung lag seit 1780 sein Bericht «Reise um die Welt» vor. Von beiden also wurde in Folge der Staffelstab an den neuen Doktor der Naturwissenschaften weitergegeben.
Als einziger Sohn eines wohlhabenden Handelsherrn wurde Eduard Pöppig, der später seinen Namen in Poeppig änderte, am 16. Juli 1798 in Plauen im Vogtland geboren. Trotz des frühen Todes seines Vaters vermochte seine Mutter dem begabten Jungen eine humanistische Bildung zukommen zu lassen. Doch wie konnte dem von den Idealen der Aufklärung Begeisterten eine naturwissenschaftliche Forschungsreise finanziert werden? Er konnte sich auf eine nicht geringe Zahl von ebenso enthusiastischen Bürgern stützen, welche 1818 die «Leipziger Naturforschende Gesellschaft» gegründet hatten. Sie stellten dem Landsmann die für die Reisen erforderlichen Mittel zur Verfügung. Allerdings bestand die Verpflichtung, regelmäßig Berichte abzuliefern, welche man dann in Zeitungen veröffentlichte.
Von Hamburg kommend landete Poeppig im Mai 1822 in Havanna auf Kuba. Schon Ende Juli konnte er eine Pflanzenkollektion nach Leipzig schicken. Im Winter arbeitete er als Plantagenarzt, um sein Budget aufzufrischen. Ab 1824 erforschte er die Pflanzenwelt Pennsylvaniens und konnte im November 1826 seinen Freunden in einem Brief mitteilen: «Der Lieblingstraum, der mir alle bisher bestandene Not erträglich gemacht, geht in Erfüllung, und ich dreimal Glücklicher darf nun in wenigen Monaten auf dem undurchforschten Boden Chiles zu wandern hoffen.»
In Baltimore bestieg Poeppig im November 1826 die Gulnare, einen neugebauten Segler. Mit den durchgestandenen Gefahren beginnt sein Reisebericht. Er liest sich wie ein Abenteuerroman:
«Fortgetrieben von leichten aber günstigen Winden, näherten wir uns dem gefürchteten Kap Hoorn täglich mehr. Mancher forschende Blick flog über den herbstlichen Himmel nach Süden, wo stets graue Wolken lagerten und wo auch unser ein trauriges Schicksal harren mochte.»
Nun werden Wind und Wetter, Wasser und Festlandsriffe genau beschrieben. Bei einer Überschwemmung des Decks reißt eine Sturzsee Gegenstände fort und verletzt Matrosen schwer. Nach einem flüchtigen Blick auf die schwarze Felsmasse von Kap Hoorn ist das Schlimmste überstanden und man atmet auf.
Die Gulnare läuft direkt den Hafen von Valparaíso an. Welch eine Enttäuschung! Der Naturfreund hatte das massive Grün von Wäldern erwartet. Und nun diese kahle Landschaft im Südwinter. Doch immer gibt es etwas zu beschreiben: Einmalig, wie Angehörige der ärmeren Bevölkerung sich mit einer Hütte in der steilen Wand festkrallen, welche vom schmalen Küstensaum aus auf die Höhe des Kontinents ansteigt.
Für das kommende Frühjahr wird eine Expedition vorbereitet. Für seinen Begleiter, einen einfachen «Peón» und ihn, sowie für das Gepäck müssen Maultiere angeschafft werden. Er beschreibt den Vorgang:
«Die nächste Sorge ist die Erwerbung von Maultieren. Man lernt aber bald, dass solcher Handel für den Fremden sehr unpassend sei, denn einmal wird man unfehlbar durch den listigen Verkäufer betrogen und dann entstehen aus dem Besitze selbst eine Menge von Unannehmlichkeiten. Bleibt man länger an einem Ort, so ist es oft gleich schwer und gleich kostspielig, seine Herde auf einem Weideplatz unterzubringen; bald verlaufen sich einzelne Tiere, und nicht selten werden sie wohl gar entwendet, denn bis auf die Achtung von Eigentum des Fremden dehnt sich die chilenische Gewissenhaftigkeit nicht überall aus.»
Poeppig lernt Mate schätzen und Charqui zuzubereiten. Seinen Beobachtungen scheint nichts zu entgehen, und er hält vieles für erwähnenswert: Wie werden in Chile Äcker bearbeitet und eingesät, wie wird geerntet und gedroschen? Welche Preise bringt die Ernte? Wie werden Pferde zugeritten, und wie entsteht schmackhafter Wein?
Auch die Gewinnung von Bodenschätzen durch den Bergbau wird beschrieben, und er gibt einen Kommentar über das Heerwesen ab.
Und wo bleibt die Botanik? Keine Sorge, man ist ja auf dem Wege. Von Valparaíso aus soll es in die Kordilleren gehen und möglicherweise hinüber nach Argentinien. Er bückt sich nach jedem Pflänzchen und besieht es sich genau. Adriana Hoffmann hat es in ihrem Bestimmungsbuch Flora Silvestre de Chile festgehalten:
- Capachito Largo – Calceolarea hypericina Poepp
- Pircun – Anisomeria litorali Poepp
- Huañil – Proustia pungens Poepp