300-Seelen-Dorf in der Atacama-Wüste bei Calama
Von Petra Wilken
Auf der Plaza des Dorfes San Francisco de Chiu Chiu steht es in Stein gemetzelt: Die atacamenische Kultur ist bereits 3.000 vor Christi entstanden und hat sich über Gebiete ausgebreitet, die heute Chile, Argentinien, Peru und Bolivien heißen. Der Stein steht dem Eingang zur Kirche gegenüber, als wollte er trotzig sagen: Wir waren schon lange da, bevor die spanischen Eroberer hier ihre Gotteshäuser errichteten.
In Calama heißt es, die Kolonialkirche von Chiu Chiu sei die älteste Chiles. Pedro de Valdivia habe sie auf seinem Eroberungszug von Peru aus errichten lassen, um die Atacameñer zum Christentum zu bekehren. Der Consejo de Monumento Nacionales de Chile legt sich darauf nicht fest, bestätigt aber, dass es sich mit dem Baujahr 1611 um eines der ältesten katholischen Kirchengebäude Chiles handelt. Unterdessen wird weit entfernt in Santiago die San-Francisco-Kirche als älteste des Landes gehandelt. Sie wurde zwischen 1586 bis 1618 erbaut.
Ob Chiu Chiu nun das Attribut des ältesten Gotteshauses zukommt oder nicht, sei dahin gestellt. Auf alle Fälle lohnt sich ein Ausflug von Calama aus, wenn man denn die Bergbau-Stadt besucht und nicht wie die meisten Touristen sogleich nach San Pedro weiterfährt, zweifelsohne die touristische Metropole der Atacama-Wüste. Aber auch von Calama aus gibt es Sehenswürdigkeiten zu entdecken.
Die Strecke führt auf der Ruta 21 rund 30 Kilometer nordöstlich von Calama nach Chiu Chiu in der Provinz El Loa, Region von Antofagasta. Der Ort liegt auf 2.500 Meter Höhe am historischen Inka-Pfad und hat kaum mehr als 300 Einwohner. Kurz hinter Calama zieht sich westlich der Straße kilometerlang der Damm des Schlackendepots Talabre der Mine Radomiro Tomic entlang.
Holzkreuze und Plastikblumen
Auf der anderen Straßenseite erstrecken sich die endlosen Weiten der Atacama-Wüste, bis plötzlich ein Platz mit einem großen christlichen Kreuz auf einer Anhöhe und zahllosen kleinen Gräbern darum herum auftaucht. «Cementerio 4 Patitas» steht auf einem kleinen verblichenen Schild am Straßenrand. Ein Friedhof für Haustiere also, auch ein Ausdruck des christlichen Brauchtums der Atacama-Kultur. Hunderte von Hunden und Katzen sind hier begraben. Die traurigen Besitzer haben ihre Abschiedsbotschaften auf Holzkreuzen oder Metallstücken verewigt und die kleinen Gräber mit Plüschtieren und Plastikblumen geschmückt. Die ewigen Wüstenwinde haben die Farben verschwinden lassen, alles ist mit einer grauen Staubschicht überzogen.
Wer dann in dem kleinen Wüstenort Chiu Chiu ankommt, hat kaum etwas Weiteres als die urige weißgetünchte Adobekirche zu besichtigen. Einzigartig sind die Türen und die Decke der Kirche. Sie sind aus noch immer gut erhaltenem Kaktusholz gefertigt. Da es keine Nägel gab, wurden die Bretter mit Lederriemen zusammengebunden. Neben anderen Heiligen fällt die in Lila gekleidete Virgen de los Dolores (Jungfrau des Leidens) auf. Sie ist permanent auf einem Prozessionsgestell aufgebaut. Ihre Prozession in der Karwoche ist eines der kulturellen Höhepunkte für die Atacameños von Chiu Chiu.