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domingo, 28. abril 2024
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In zwei Welten beheimatet

Karen Apfelbeck, Sprachabteilungsleiterin der Escuela Militar

Karen Apfelbeck leitet die Sprachabteilung an der Escuela Militar. Zwischen 5 und 7 Prozent der dortigen Absolventen interessieren sich für Deutsch. Foto: Walter Krumbach
Karen Apfelbeck leitet die Sprachabteilung an der Escuela Militar in Chile.

 

1999 begann Karen Apfelbeck an der Escuela Militar del Libertador Bernardo O’Higgins zu arbeiten. Seit 2008 leitet sie die Sprachabteilung. Die Ausbildungsstätte der chilenischen Heeresoffiziere lehrt nämlich außer der Landessprache Spanisch auch Englisch, Französisch und Deutsch.

 

Von Walter Krumbach

 

Die Fremdsprachen werden den Schülern angeboten, die sich wohlgemerkt freiwillig darüber entscheiden, welche sie lernen wollen. Die Kurse erstrecken sich über vier Jahre.

Auffallend ist für Nichteingeweihte, dass Deutsch im Angebot ist, eine Sprache, von der man annehmen dürfte, dass ihre Nachfrage auf der globalisierten Welt im Vergleich zu Englisch etwa viel geringer ist. «Für bestimmte Branchen oder Fachgebiete ist Deutsch sehr wichtig», meint Karen Apfelbeck, «besonders was Philosophie oder in unserem Fall Verteidigung anbetrifft. Wir importieren unsere Panzer aus Deutschland».

Die Ankäufe gehen bis ins Jahr 1998 zurück, als das chilenische Heer Leopard-1-V-Panzer bestellte. Seitdem entsendet das Heer Offiziere nach Deutschland, um die nötigen Kurse zu absolvieren, die sie befähigen, diese Fahrzeuge zu betätigen. «Außerdem haben wir ständig einen Verteidigungsattaché an der Botschaft in Berlin», sagt Karin Apfelbeck, «der meistens ein Offizier des Heeres ist», eine Aufgabe, für die gute Deutschkenntnisse ebenso Voraussetzung sind.

45 Offiziersanwärter lernen Deutsch

An der Escuela Militar «interessieren sich zwischen 5 und 7 Prozent der Kadetten für die deutsche Sprache», hat die Pädagogin feststellen können. «Seit 2008 unterrichten wir Basisdeutsch», fügt sie hinzu, «sodass auch Schüler ohne Grundkenntnisse die Sprache erlernen können». Nachdem sie die vier Jahre absolviert haben, «können sie mit Deutsch recht gut umgehen», hat Karen Apfelbeck feststellen können.    

Gegenwärtig lernen 45 Offiziersanwärter Deutsch, darunter eine Dame. Im chilenischen Heer sind bekanntlich seit etlichen Jahren Frauen tätig, aber noch ist die Proporz im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen gering.

Kurz vor ihrem Abgang unternehmen die Schüler des vierten Jahres eine Studienreise ins Ausland, meist in die USA, um an einem Fort einen zweiwöchigen Lehrgang zu absolvieren.

Leben in Arica

Karen Apfelbeck kam in Santiago als Tochter eines Österreichers zur Welt. Ihre Kindheit und Jugend spielte sich, wie bei den meisten deutschsprachigen Familien, in der Lota-Schule, dann in der Wilhelm-von-Humboldt-Schule und schließlich in der Deutschen Schule Antonio Varas ab. Zu ihrem endgültigen Berufsentscheid kam es Jahre später. Allerdings half sie bereits als Schülerin wiederholt aus, wenn etwa jemand nach Deutschland reisen und vertreten werden musste. «Nachher habe ich etwas anderes studiert, geheiratet und vier Kinder bekommen», fasst sie zusammen. Als sie mit ihrer Familie in Arica lebte, entschloss sie sich zu einem Studium an der Universidad de Tarapacá, wo sie sich als Grundschullehrerin ausbilden ließ.

21 Jahre lebte Karen Apfelbeck mit ihrer Familie in der «Stadt des ewigen Frühlings», wie Arica aufgrund seines milden Klimas von seinen Einwohnern genannt wird. Dort lehrte sie an der Deutschen Schule und an der örtlichen Zweigstelle des Deutsch-Chilenischen Kulturinstituts. «Es lebt sich dort sehr angenehm», erinnert sie sich, «man hat Zeit und dadurch kann man sich der Familie mehr widmen als in einer Großstadt. Wir haben immer gemeinsam zu Mittag gegessen und waren mit den Kindern oft unterwegs, weil es dort viele Orte gibt, zu denen es sich lohnt, Ausflüge zu machen».

Pädagogik und Unterrichtsmethodik

Kurz vor der Jahrtausendwende entschlossen sie und ihr Ehemann sich, nach Santiago zurückzukehren. Seitdem leben sie in der Hauptstadt und bald kam der Kontakt mit der Escuela Militar zustande, an der sie bis heute arbeitet. Ihr Pensum ist ebenso anregend wie intensiv, wie sie meint, weshalb sie auf die Frage nach ihrer Freizeitgestaltung lachend antwortet: «Ich habe keine Freizeit!» Außer ihrer beruflichen Tätigkeit führt sie zu Hause den Haushalt und dazu kommen die drei Enkel, die ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.

Wenn aber trotz allem ein Ruhemoment zustande kommt, greift Karen Apfelbeck zu Sachbüchern, um sich über die neuesten Tendenzen in Pädagogik und Unterrichtsmethodik zu informieren. Da sie außer den Fremdsprachen Spanisch unterrichtet, «ist man angehalten, den Kadetten kritisches Denken zu übermitteln, damit sie zum Beispiel eine kleine Rede aufbauen können. Ebenso ist die Aussprache wichtig und natürlich brauchen sie eine gute Basis, um einen Text aufzusetzen».

Sommer in Collipulli

Wie arbeitet es sich als Frau an einem Institut, das zu 97 Prozent von Männern bevölkert ist? Die Frage heitert Karen Apfelbeck sichtlich auf. Strahlend antwortet sie: «Sie sind sehr höflich und nett, da habe ich nie Schwierigkeiten gehabt. Außerdem bin ich hier für niemanden eine Konkurrenz».

Dieses überaus positive berufliche Umfeld ist für die Lehrerin jedoch kein Hindernis, unerfüllten Träumen nachgehen zu wollen. «Wir sind zum Teil auf dem Land bei Collipulli aufgewachsen», erzählt sie, «wir verbrachten den Sommer zusammen mit meinen Cousinen dort. Es war eine wunderbare Zeit, von der auch meine Kinder noch etwas abbekommen haben». Sie überlegt einen Moment und gesteht dann: «Ich würde mich gerne auf das Land zurückziehen und etwas anbauen. Da könnte ich auch übersetzen, was ich sehr gerne tue, übrigens auch Gedichte».

In Chile geboren, aber im deutschsprachigen Raum aufgewachsen

Karen Apfelbeck fühlt sich von ihren Wurzeln angezogen. Sie vergleicht es mit dem Inhalt eines Films, der sie seinerzeit tief beeindruckte: «Frei geboren – Königin der Wildnis» (1966), erzählt das Schicksal eines Löwenbabys, das unter Menschen aufwächst. Elsa wird später freigelassen, damit sie sich in der Natur entwickeln kann. Die junge Löwin verschwindet für einige Zeit, kehrt jedoch später wieder, um den Menschen stolz ihr Junges zu zeigen.

«Mir ging es so ähnlich», vergleicht die Lehrerin, «man ist in Chile geboren, aber man wächst in einem deutschsprachigen Raum auf. Wenn man dann nach Deutschland reist, fühlt man sich dort wohl, weil man die vertraute Sprache hört und weil das System so gut läuft. Man lebt sich schnell ein. Anschließend stellt man fest, dass es mit dem menschlichen Kontakt nicht so einfach ist. Wir fassen uns an, klopfen uns auf die Schulter, begrüßen uns mit einem Kuss. Ich war 1994 in Bremen. Alle waren sehr nett, aber niemand hat mir nicht einmal die Hand gegeben. Tja, wir leben halt in zwei Welten».      

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