Dražen Maloča, Wirtschaftsdelegierter im österreichischen AußenwirtschaftsCenter Santiago
Chile wird auch für die österreichische Außenwirtschaft immer interessanter. So baut Advantage Austria ihr Büro in Santiago aus. Dražen Maloča ist seit August Wirtschaftsdelegierter dieser österreichischen Trade Promoting Organization.
Von Petra Wilken
Was haben Santiago und New York gemein? Ihnen fällt spontan nichts ein? Es gibt City-Bikes an jeder Ecke, die U-Bahn ist in New York morgens auch nicht leerer als die Metro hier, und die New Yorker ignorieren das Klima genauso wie die Chilenen. Will sagen, es gibt wenig halbwegs gut isolierte Wohnungen, und die New Yorker sind jedes Mal überrascht, wenn es schneit und es zum Verkehrschaos kommt. Dražen Maloča erzählt diese Anekdoten auf witzig-ironische Art. Der 38-Jährige hat bereits in mehreren Metropolen gelebt und seine Erfahrungen in Bezug auf Lebensqualität gesammelt. Santiago schneidet bei ihm ausgesprochen gut ab.
Doch nichts geht für ihn über Wien. Die österreichische Hauptstadt war 2018 von The Economist zur Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität gewählt worden. Er kann dieses Ranking nur bestätigen, nicht nur, weil er in Österreich geboren wurde. Woher dann sein Name, der so gar nicht österreichisch klingt, fragt man sich da. «Meine Eltern stammen aus Kroatien. Sie gingen nach Österreich und meinten, sie bleiben nicht lange. Deshalb hat sich meine Mutter nichts dabei gedacht, als sie mir den Namen Dražen gab», erklärt er humorvoll und fügt hinzu: «Meine Mutter lebt bis heute in Österreich, mein Vater ist dort gestorben und begraben.»
Praktika in Spanien, Kroatien und Deutschland
Zur Welt kam er in einer Kleinstadt zwischen Salzburg und Linz. Nach der Matura studierte er in Linz Wirtschaftswissenschaften. Bis dahin ging alles noch recht provinziell zu, doch dann studierte er mit einem Erasmus-Stipendium ein Jahr lang in London. Dort packte ihn das Auslandsfieber, und er schloss Praktika in Spanien, Kroatien und Deutschland an. Dann erhielt er ein Traineeship bei der Wirtschaftskammer Österreichs in Wien. Ihr gehört Advantage Austria an, die Internationalisierungs- und Innovationsagentur der österreichischen Wirtschaft, die mehr als 110 Auslandsstützpunkte unterhält.
Sie schickte ihn von 2006 bis 2009 als stellvertretenden Wirtschaftsdelegierten nach Venezuela. «Es war gerade zur ersten Wiederwahl von Chávez gekommen, und ich hatte das Gefühl, ich erlebe Geschichte mit. Caracas war damals eine unsichere Stadt mit einem verrückten Präsidenten.» Doch sein Leben sei durchaus attraktiv gewesen, er sei viel gereist. «Damals als Single hat es gepasst.» Doch Single ist er nicht geblieben. Er heiratete eine Venezolanerin und weiß aus erster Hand, wie schwierig die Situation heute ist. «Aus der großen Verwandtschaft meiner Frau sind alle unter 40 weg. Es sind nur die Eltern und die Großeltern noch dort.»
Muttersprache Kroatisch
Der nächste Einsatzort war Sarajevo, die Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina. Dort war Maloča nah an seinen Wurzeln. Nach Zadar, der kroatischen Hafenstadt, aus der seine Familie stammt, waren es nur vier Autostunden. Die Arbeit ging ihm leicht von der Hand, weil Kroatisch seine Muttersprache ist, neben Bosnisch und Serbisch eine der drei Landessprachen. «Österreich ist dort ein Top-Investor. Durch die Geschichte hat das Land einen guten Ruf in der Wirtschaft.»
Im Anschluss an den Einsatz in Sarajevo schickte Advantage Austria ihn nach New York. Inzwischen waren sie zu dritt, denn während der Zeit in Bosnien war die erste Tochter geboren. «New York war interessant, wir sind dort im Lebensmittel- und Weinbereich gut, zudem in der Kreativindustrie, in Film, Werbung und Marketing. Aber auch im Finanz- und Versicherungssektor.» In New York kam auch die zweite Tochter zur Welt.
Von dort New York ging es nach Wien, wo er als Büroleiter des Geschäftsführers von Advantage Austria arbeitete. Eigentlich wollte die Familie nun mit zwei kleinen Kindern ein wenig sesshafter werden. Und dazu die besagte Lebensqualität von Wien – schön, sicher und gut gelegen. Zudem leben dort auch seine Mutter und seine Schwester. «Doch dann kam die Büroerweiterung in Santiago, und ich musste mich bewerben.» Zwingende Gründe für ihn waren, dass er sich nach drei Einsätzen als Stellvertreter nun als Wirtschaftsdelegierter bewerben konnte. «Zudem gibt es Deutsche Schulen hier, und es ist der Kulturkreis der Mutter. Und hier leben inzwischen so viele Venezolaner.»
Chile ist für Österreich ein wichtiger Markt
Es gab also kein Drumherum: die Koffer wurden wieder gepackt. Er hat es nicht bereut. Nicht nur, dass Santiago seine Kriterien für Lebensqualität gut abdeckt, auch seine Aufgabe hier ist für ihn äußerst reizvoll, denn das hiesige Büro mit derzeit sechs Mitarbeitern ist am Wachsen. Früher wurden Peru und Bolivien von Buenos Aires aus mit betreut, aber nun ist das Büro in Santiago für diese Märkte mit zuständig.
«Chile ist für Österreich der zweitwichtigste Markt in Südamerika und der drittwichtigste in Lateinamerika nach Mexiko und Brasilien. Das Land hat Potenzial im Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen Energie – Solar und Wasserkraft – und Umwelttechnologien. Und es ist das Einstiegstor nach Südamerika», erklärt er. «Österreich erwirtschaftet fast 60 Prozent des BIP über den Export. Nahezu 70 Prozent der Exporte gehen nach Europa. Ziel ist es, die Übersee-Märkte auszubauen. Da unsere Wirtschaft eine Struktur von klein- und mittelständischen Unternehmen hat, ist es für viele eine Reise auf den Mond, hierher zu kommen. Da muss man sie abholen und an die Hand nehmen.»
Das macht er liebend gern. Und anschließend mit dem City-Bike nach Hause fahren. So wie in New York, nur dass er nicht mehr durch den Central Park fährt.