Inicio Magazin Geschichte Gewissen und Widerstand – das Beispiel der «Weißen Rose» in aktueller Zeit

Gewissen und Widerstand – das Beispiel der «Weißen Rose» in aktueller Zeit

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Flugblätter gegen das nationalsozialistische Regime

Die Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst 1942: Weitere Mitglieder der «Weißen Rose» waren Alexander Schmorell, Willi Graf sowie der Universitätsprofessor Kurt Huber.
Die Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst 1942: Weitere Mitglieder der «Weißen Rose» waren Alexander Schmorell, Willi Graf sowie der Universitätsprofessor Kurt Huber.

 

Von Peter Downes
Historiker

Vor 75 Jahren haben fünf Studenten mit ihrem Hochschulprofessor eine beispielhafte Zivilcourage an den Tag gelegt, die sie mit ihrem Leben zahlten. Sie hatten zwischen Juni 1942 und Februar 1943 die deutsche Bevölkerung mit Flugblättern aufgerufen, Widerstand gegen die Hitler-Diktatur zu leisten. Mit Mut nannten sie die Verbrechen des Hitler-Regimes und zeigten damit der Öffentlichkeit, dass das Schweigen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung, eine Mitschuld beinhaltete. Sie setzten mit ihrem Handeln ein klares Zeichen: man darf nicht wegschauen oder schweigend zuschauen, wenn Verbrechen vor aller Augen geschehen.

Der deutsche Regisseur Michael Verhoeven verfilmte 1982 die Geschichte der «Weißen Rose».

Am bekanntesten ist zweifelsohne Sophie Scholl, die als einzige Frau im Kreis der «Weißen Rose» so kompromisslos und beherzt sich für ihre politische und persönliche Überzeugung eintrat. Als vielseitig talentierte, kluge und lebenslustige Studentin steht ihr Name, gemeinsam mit dem ihres Bruders Hans – der vor 100 Jahren, am 22. September, geboren wurde – im Vordergrund dieser Widerstandsbewegung, so auch in den Kinofilmen wie die «Weiße Rose» (1982) unter der Regie von Michael Verhoeven und „Sophie Scholl – Die letzten Tage (2005) von Marc Rothemund.

 

Junge Menschen rufen zum Widerstand auf

Vom Sommer 1942 bis in den Winter 1943 hat die studentische Widerstandsgruppe zunächst in München, dann auch im süddeutschen Raum und in Österreich (Linz, Salzburg und Wien) Flugblätter gegen Hitler und das nationalistische Regime verbreitet. Zunächst forderte sie lediglich zum passiven Widerstand, bald aber auch zum Sturz der Regierung. Hans Scholl und Alexander Schmorell, beide Medizinstudenten, bildeten den Kern der Widerstandgruppe. Sophie Scholl, Willi Graf, Christoph Probst und der Professor Kurt Huber schlossen sich nach und nach ihr an.

Bei allen Mitgliedern handelte es sich um junge Menschen, die aus einem eher konservativ-bürgerlichen Milieu und aus einem christlich geprägten Elternhaus stammten. Hans und Sophie Scholl waren zunächst sogar begeistert aktiv in der nationalsozialistischen Jugendbewegung. Willi Graf hingegen erwehrte sich einer Vereinnahmung seitens der Partei.

Es waren negative Erfahrungen mit dem NS-Regime und kritische Beobachtungen, vereint mir persönlichen Überzeugungen, die die Gruppe zum Widerstand zusammenschloss. Verbunden waren sie aber auch durch gemeinsame Kunst-, Literatur, Musik- und Philosophieinteressen, sowie ihrer religiösen Orientierung. Aus freundschaftlicher Verbundenheit entwickelte sich ein Bündnis im Kampf gegen die nationalsozialistische Diktatur.

Ihre Flugblätter waren nicht nur ein Ausdruck ihres Gewissens, sondern entsprachen ihrer politischen Motivation und Überzeugung, dass man angesichts des verbrecherischen Systems nicht mehr schweigen und zuschauen durfte, sondern es nun unerlässlich war, sich zu Wort zu melden und die Verbrechen allen in gedruckter Form vor Augen auszubreiten.

 

Todesstrafe

Am 22. Februar 1943 zahlten sie mit ihrem Leben für ihre Überzeugung. In der Folgezeit wurden auch Unterstützerinnen und Unterstützer der «Weißen Rose» sowie Mitwisser zum Tode verurteilt oder mit Gefängnis bestraft. Aus bisher noch unveröffentlichten Aufzeichnungen (befindlich im Münchner Staatsarchiv) der Schwester von Hans und Sophie, Inge Aicher-Scholl, erfahren wir vom letzten Eindruck vor deren Hinrichtung: «Nach dem Abschied gingen sie dann ganz furchtlos, gelassen und von tiefen Enthusiasmus erfüllt.» Sie gingen demnach ihren letzten Weg konsequent und aus voller Überzeugung, das richtige getan zu haben.

Der Volksgerichtshof unter Vorsitz des «Blutrichters» Roland Freisler verurteilte die Geschwister Scholl sowie Christoph Probst zum Tode durch das Fallbeil. Das Urteil wurde am 22. Februar 1943 vollstreckt. Kurt Huber, Willi Graf und Alexander Schmorell wurden in einem zweiten Prozess ebenfalls zum Tode verurteilt.

Was mahnend bleibt, ist der Aufruf, sich gegen Unrecht und Verbrechen aufzubegehren und sich einzumischen, statt wegzuschauen oder betroffen zu schweigen. In ersten Flugblatt der «Weißen Rose» wurde noch zum passiven Widerstand aufgerufen: «Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ‚regieren’ zu lassen.»

 

Letztes Flugblatt

Insgesamt sechs Flugblätter verfasste, druckte und verteilte die «Weiße Rose», zuletzt mit einer Auflage von 9.000 Exemplaren. In den Blättern wurden die Verbrechen des NS-Regimes thematisiert und zum Widerstand aufgerufen. Das sechste Flugblatt (Foto) gelangte über Skandinavien sogar nach England und wurde Ende 1943 von britischen Flugzeugen über Deutschland abgeworfen.

Im sechsten und letzten Flugblatt wurde dann schon zum aktiven Widerstand aufgerufen. Der Krieg war bereits verloren und die Opfer immer sinnloser, das Grauen unerträglich: «Erschüttert steht unser Volk vor dem Untergang der Männer von Stalingrad. Dreihundertdreißigtausend deutsche Männer hat die geniale Strategie des Weltkriegsgefreiten sinn- und verantwortungslos in Tod und Verderben gehetzt. Führer, wir danken dir! Es gärt im deutschen Volk: Wollen wir weiter einem Dilettanten das Schicksal unserer Armeen anvertrauen? Wollen wir den niedrigsten Machtinstinkten einer Parteiclique den Rest unserer deutschen Jugend opfern? Nimmermehr!»

Die Freiheit, die wir in demokratischen Staaten erlangt haben, darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Man muss sich früh genug gegen die Gefahren von Unrecht und Verbrechen, von Diskriminierung und Gewalt einsetzen. Hinsehen und die Stimme erheben, damit keine Gewaltherrschaft oder auch kriminelle Machtstrukturen erst Wurzeln in einer Gesellschaft schlagen können. Warten wir also besser nicht zu lang ab, sondern greifen wir besser zeitig ein, um für unsere Mitmenschen und uns selbst ein gerechtes und friedvolles Zusammenleben zu sichern. Wenn wir zu spät handeln, werden die Kosten und Risiken des Widerstandes immer höher. Zeigen wir also mehr Zivilcourage.

 

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