Liebe Cóndor-Leser,
vor knapp einem Jahr lud mich die Botschaft zu einer Veranstaltung in die Residenz ein. Auf dem Empfang gab es einen Cocktail. Mit dem Teller in der einen Hand bedienten sich die Gäste mit der anderen Hand am Buffet. So auch ich.
Doch wohin mit dem Besteck, wenn man im Stehen isst? Ratlos guckte ich mich um. Und dann fiel mir nichts anderes ein, als das Messer in die äußere Brusttasche des Jacketts zu stecken. Nur so als vorübergehende Notlösung, versteht sich.
Doch dann verging die Zeit, Weingläser kamen gefüllt und gingen geleert – ich hatte das meine seltsame Sakko-Verzierung längst vergessen und niemand schien Anstoß daran zu nehmen. Nicht einmal der Taxifahrer. Erst Zuhause blickte mich meine Frau verdutzt an: Und was ist das?
Und da lag es nun in unserem Haus, ein elegantes, silbernes Botschaftsmesser. Bezahlt von ehrlichen Steuerzahlern, geklaut von einem bisher unbescholtenen Journalisten. Wochen-, nein, Monate lang plagte mich mein schlechtes Gewissen, wenn ich dieses Artefakt beim Vorübergehen ansah. Wie konnte ich meinen gemeinen Rechtsbruch wieder gut machen? Oder sollte ich einfach Gras über die Sache wachsen lassen? Bestimmt hatte niemand etwas bemerkt.
Rückkehr zum Tatort: Der Gärtner ist der Mörder?
Doch der Täter kehrt bekanntlich immer wieder zum Tatort zurück. Und in den besten Krimis ist meistens der Gärtner der Mörder. Und tatsächlich sollte der Botschaftsgarten erneut Schauplatz einer ungeheuerlichen Tat werden.
3. Oktober, Tag der deutschen Einheit, Residenz des Botschafters: Hunderte Gäste feiern vergnügt. Nur einer schielt leicht ängstlich links und rechts zur Seite. Ich warte auf meine Komplizin, genauer gesagt meine Frau, die ich mittlerweile in die heikle Angelegenheit hineingezogen habe. Sie soll das Botschaftsmesser tief unten in ihrer Damentasche verstecken und unbehelligt an den Wachen hineinschmuggeln. Ich bin vorgegangen, um zu prüfen, ob scharfe Sicherheitskontrollen stattfinden, was nicht der Fall ist.
Doch auf einmal ein Riesenschreck: Mitten in der Rede des ehemaligen Bundesministers Norbert Blüm fängt die Alarmsirene der Botschaft mit einem ohrenbetäubenden Lärm an zu kreischen. Alle Gäste gucken sich verblüfft an – nur ich denke: Verflucht, sie haben meine Frau erwischt! Jetzt ist alles aus.
Puh, Glück gehabt, es war nur ein falscher Alarm. Und später stolziert meine Frau heran. Verschwörerisch blicken wir uns an, jetzt kommt der letzte Akt des Verbrechens: Halb verborgen unterm Jackettärmel verstecke ich das Messer, schlendere mit unschuldiger Miene zu einem Tisch und lege – mir nichts, dir nichts – völlig unauffällig das anrüchige Messer dort ab.
Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Am nächsten Morgen greife ich in meine Sakko-Tasche und finde verwundert vier Zahnstocher, die vom Käsebüfett stammen. Sie wollen nun wissen, lieber Krimi-Leser, was ich damit gemacht habe? Fehlanzeige. Manche Straftaten werden leider nie aufgeklärt.
Vom Nordpol zum Südpol ist´s nur ein Katzensprung
Neben einem Messerdieb hatte die Botschaft allerdings auch noch einen ganz besonderen Gast zu bieten: Robby Clemens ist ein Extremsportler aus Leipzig, der bereits 2007 durch 27 Länder gejoggt ist und dabei mehr als 13.000 Kilometer zurücklegte, hat sich nun ein noch ehrgeizigeres Ziel gesetzt. Er will vom Nordpol bis zum Südpol laufen.
Grönland und die USA hat der Mittfünfziger bereits durchquert, nun kam er nach weiteren Stationen in Santiago de Chile an. Danach geht es weiter bis Punta Arenas und dann per Flugzeug in die Antarktis bis zum Südpol.
Die verrückte Geschichte des deutschen Forrest Gump hat übrigens einen ernsten Hintergrund. Der gelernte Installateur, der nach der Wiedervereinigung ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern aufgebaut hatte, war Ende der 90er in die berufliche und persönliche Pleite geschlittert. «Ich war Mitte 30, rauchte drei bis vier Packungen Zigaretten am Tag, wog 125 Kilo und hatte mich aufgegeben. Ich war schwerer Alkoholiker und hing mit den Pennern am Bahnhof herum.»
Doch dann begann Robby Clemens zu laufen. Und auf all seinen vielen Touren kam von Sponsoren auch Geld zusammen, das der Kinderkrebshilfe gespendet wurde. Bei seinen Aktionen gehe es daher nicht um Rekorde und Triumphe. «Dem Laufen verdanke ich mein Leben, denn ich habe mich nicht aufgegeben. Und etwas von dieser Botschaft will ich den Menschen mitteilen.»
Herzlichst Ihr
Arne Dettmann