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Dr. Bernd Oberpaur, ärztlicher Leiter der Deutschen Klinik Santiago

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Der Patient als Mittelpunkt

Dr. Bernd Oberpaur ist nicht nur Chefarzt der Deutschen Klinik Santiago, sondern auch Vorsitzender der evanglisch-lutherischen Erlöserkirche: «Unsere Gemeinde ist nicht groß und wir werden älter.» Foto: Walter Krumbach
Dr. Bernd Oberpaur ist nicht nur Chefarzt der Deutschen Klinik Santiago, sondern auch Vorsitzender der evanglisch-lutherischen Erlöserkirche: «Unsere Gemeinde ist nicht groß und wir werden älter.» Foto: Walter Krumbach

 

«Niemand geht gerne ins Krankenhaus. Man tut es nur, wenn man ein Gesundheitsproblem hat oder weil man einer Erkrankung vorbeugen will», stellt Dr. Bernd Oberpaur, Chefarzt der Clínica Alemana Santiago, fest. 

 

Von Walter Krumbach

«Es wird künftig immer häufiger vorkommen, dass wir vorbeugen wollen und deshalb präventiv zum Arzt gehen, um die Früherkennung der Erkrankungen zu ermöglichen, die Behandlung zu erleichtern und so bald wie möglich wieder ins normale Arbeitsleben zurückzukehren.»

Aus diesem Grund ist der Verbleib der Patienten in den Krankenhäusern wesentlich kürzer geworden: «1918 war der durchschnittliche Aufenthalt 20 Tage, heute sind es bei uns 2,9», vergleicht Oberpaur. Während dieser Zeit legt er größten Wert darauf, «auf den Kranken zu hören, welches seine Anliegen sind, wie er behandelt werden möchte, mit welcher Information er rechnet und welches die Entscheidungen sind, die wir zusammen treffen sollten. Früher entschied der Arzt. Heute sind Entschlüsse komplexer geworden. Wenn man sie gemeinsam trifft, entsteht ein Riesenvorteil.»

 

Kinderarzt und ärztlicher Leiter der Clínica Alemana Santiago

Bis zum vergangenen Jahr ging er seiner Hauptbeschäftigung als Kinderarzt nach. Das ist jetzt nicht mehr möglich, da seine Stellung als ärztlicher Leiter derart zeitintensiv ist, dass er sich vollends dieser Aufgabe widmen muss. Von großer Wichtigkeit empfindet Dr. Bernd Oberpaur in seinem Amt die Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung, den Ärzten, den stellvertretenden Leitern der verschiedenen Bereiche, den Krankenschwestern und der Verwaltung. Koordination ist für ihn das ausschlaggebende Stichwort.

Er ist dafür zuständig, dass die technischen Abläufe innerhalb des Krankenhauses gewährleistet werden. Dazu ist er dafür verantwortlich, dass das Ärzte- und Krankenschwesternpersonal seine Aufgaben zuverlässig erfüllt. Kein geringes Unterfangen, wenn man die komplexe gesetzliche Regulierung in Betracht zieht, der sich heutzutage große Krankenhäuser unterordnen müssen. Das Personal des ärztlichen Bereiches muss seine Kenntnisse auf dem letzten Stand der Wissenschaft halten. Das fordert eine ständige Weiterbildung, für die Oberpaur ebenfalls verantwortlich zeichnet.

 

Komplexe Aufgabenbereiche in der Medizin

«Früher war es ganz klar, was eine ärztliche und was eine administrative Entscheidung war. Mit der Erneuerung des Wissens ist das heute viel fließender, es ist viel weniger strukturiert. Wenn zum Beispiel ein Projekt über elektronische Datenverarbeitung in Angriff genommen wird, dann haben die Ingenieure ein Wort zu sagen, aber auch die Krankenschwester, der Arzt, der Pharmazeut, der Krankengymnast. Es bildet sich ein Team, um das Projekt auszuarbeiten. Später kann sich diese Gruppe wieder auflockern und ein anderes Projekt angreifen. Heute sind eigentlich alle Pläne nur von der Multidisziplinarität anzugehen. Es hat keiner der Beteiligten mehr das einzige Wissen darüber. Sie sind einfach zu groß und zu komplex, als dass ein Arzt beziehungsweise ein Ingenieur sie entwickeln kann. Es geht nur in der Zusammenarbeit. Es greift alles ineinander». Dazu führt er ein Beispiel aus der Biologie an: «Die verschiedenen Organe im Körper arbeiten ja auch nicht jedes für sich».

Die Deutsche Klinik Santiago ist vor über 100 Jahren gegründet worden. In diesem langen Zeitraum hat sich in ihren Räumen ein Betreuungskonzept entwickelt, das heute einen guten Ruf genießt. «In den Jahren ihres Bestehens hat die Klinik schon etliche Modelle durchgelaufen», bemerkt Oberpaur. «Nicht nur die Medizin, sondern auch die Gesellschaft sowie die Finanzierung haben seit 1918, als die ersten Betten standen, eine riesige Entwicklung durchgemacht. Wie viele Berufe, die heute in einem Hospital ausgeübt werden, sind dazu gekommen!»

 

Reform des Gesundheitssystems

Er weist auf die Soziologen hin, «die bei dem Aufbau der elektronischen Datenverarbeitung mithelfen. Das mag wunderlich klingen, und es macht einen Riesenunterschied in der Teamarbeit». Der Arzt erinnert daran, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten in Chile auf dem Gebiet der Gesundheitsbetreuung der private Bereich sehr gefestigt hat: «Es wird in Zukunft wahrscheinlich auch viele verschiedene Modelle geben, wie sich das System aufbaut. Wir haben das Gefühl, dass wir an einer Schwelle stehen, wo wahrscheinlich eine Reform des Gesundheitssystems kommt. Wie tiefgreifend sie sein wird, wissen wir nicht.»

Weltweit seien die Gesundheitssysteme einer gewissen Spannung ausgesetzt. «Die Menschen werden älter, wir werden mehr, und je länger wir leben, desto mehr tauchen andere Krankheitsbilder auf. Das bedeutet, dass das System sich auch ändern muss, wenn es sich halten und finanzieren lassen will. Diese neuen Themen setzen eine neue Problematik auf. Wir sind sicher, dass dieselben Aspekte, die bis jetzt gewährleistet haben, dass wir gut dastehen, uns auch weiter tragen werden».

 

Transparenz und Kooperation sind gefragt

Damit meint er «Ehrlichkeit, Arbeitswilligkeit, Transparenz und dass wir auf unsere Patienten hören». Das hört sich ungemein erfrischend an, gerade heute, wo Medizinern so oft vorgeworfen wird, dass das System mit der Technik, der Elektronik und der Datenverarbeitung das Verhältnis Arzt-Patient entmenschlicht habe. Dr. Oberpaur verweist auf «den Überlebenskampf als der Faktor, der die Menschheit vorantreibt. In den letzten Jahren ist entdeckt worden, dass die Kooperation genauso wichtig ist und dass beide Prinzipien nicht gegeneinander ausspielbar sind».

Er betont: «Der Mensch ist nicht ein Individuum. Wir sind eine Gesellschaft, wir sind kooperativ. Vom Gefühl her habe ich die Sicherheit, dass in diesem Gewebe etwas dahinter steht. Und ich habe das Gefühl, dass wir Zugang haben zu dem Heiligen».

Während seiner – nicht allzu großzügig bemessenen – Freizeit ist Dr. Bernd Oberpaur der Präsident des Vorstandes der Erlösergemeinde. Auch in diesem Amt richtet er sein geübtes Forscherauge auf die aktuelle Problematik im Kirchenleben. Nüchtern konstatiert er: «Kirche ist im Schwinden. Unsere Gemeinde ist nicht groß und wir werden älter.» Ergänzend fragt er: «Warum hat Kirche heute nicht den gleichen Stellenwert wie vor 100 Jahren?» Seine Antwort lautet: «Die Gesellschaft hat sich verändert und die Kirche nicht unbedingt. Die Leute stellen heute andere Fragen und finden die Antworten nicht in den Kirchen.»

 

Christen und Kirche müssen Antworten finden

Die größte Herausforderung eines Christen ist laut Oberpaur, «welches die Antworten sind und in welchem Maße wir eigentlich eine menschliche Antwort oder sie vom Reich Gottes hergeben». Die Problematik ist in der Erlösergemeinde diskutiert worden, bestätigt ihr Vorsitzender, allerdings «kann man keine einheitliche Antwort geben, sondern nur diejenige, die man in dieser Zeit finden kann».

In der Zukunft, glaubt er, wird in der Erlösergemeinde der Akzent auf das Deutsche immer schwächer werden. «Man sollte es halten, solange es Menschen anspricht, also Sinn macht. Gleichzeitig werden wir uns der chilenischen Gesellschaft öffnen. Diesen Prozess machen wir schon seit etlichen Jahren durch, aber es ist da noch viel zu tun».

Außerdem müssen die verschiedenen Gesinnungen berücksichtigt werden, die in einer Gemeinschaft vertreten sind: «Wenn man es von außen betrachtet, können das klitzekleine Nuancen sein, aber es sind verschiedene Ansätze, deren Ursprung altersbedingt, soziologisch, wirtschaftlich oder theologisch bedingt sein kann. Eigentlich sollte eine Gemeinde das alles tragen können». Das macht, davon ist er überzeugt, «sowohl ihre Stärke als auch ihre Schwäche aus – denn wie hält man heterogene Gruppen zusammen!» Der Einigungsfaktor ist dabei der Glaube, der sich in der Gestalt Christi personifiziert. Oberpaurs umwerfende Logik leuchtet ein. Da fragt man sich: Kann eine Gemeinde mit einer derart begabten Führungskraft wirklich im Schwinden sein?

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