Macarena Rau, Präsidentin von «Crime Prevention Through Environmental Design»
Die junge Deutsch-Chilenin Macarena Rau hat vor Kurzem das Amt der Präsidentin der internationalen Organisation Crime Prevention Through Environmental Design (CPTED) übernommen. «Das ist eine Kriminalpräventions-Methodik, die durch Umweltgestaltung erreicht wird», erklärt die Architektin. «Wir fördern nachhaltige, sichere Räume, die die Lebensqualität erhöhen.» Die Gelegenheiten für kriminelle Handlungen sollen damit drastisch vermindert werden.
Von Walter Krumbach
Diese Methodik hatte ihren Ursprung in den 1960-er Jahren in Kanada und den USA. Sie wurde von herausragenden Kriminologen ausgearbeitet und ist heute international anerkannt. Im vergangenen Jahr ließ sich Macarena Rau zur weltweiten Vorsitzenden wählen. Bescheiden meint sie dazu, dass die Organisation mit dieser Entscheidung ein Signal zur Gleichstellung der Geschlechter geben wollte. Zudem sei Lateinamerika an der Reihe gewesen, «denn unsere Region ist, internationalen Statistiken zufolge, die gewalttätigste der Welt.» Der Kontinent weist die höchsten Ziffern der vorsätzlichen Tötungen auf: «Leider haben drei unserer Länder weltweit diesen Rekord inne: Venezuela, Honduras und El Salvador.»
Macarenas Vorgänger war ein 73-Jähriger Polizeibeamter aus Australien. Mit dem Generations-, Geschlechts- und Standortwechsel wollte die Leitung mit der Nachfolgerin ein unmissverständliches Zeichen dafür setzen, dass das Augenmerk nun auf Lateinamerika gerichtet werden müsse. Die Vorsitzende nimmt die Aufgaben zusammen mit einem 22-köpfigen Vorstand in Angriff. Er setzt sich aus bedeutenden Kriminologen, Polizisten, Politologen und Architekten zusammen, die über den Globus verteilt leben. Macarena Raus Hauptaufgabe besteht darin, verschiedene Gruppen bei der Ausarbeitung von Projekten zu leiten.
Verbrechensprävention
Nun stellt sich die Frage: Wie können Verbrechen mittels Umweltgestaltung verhindert werden? «Unsere Tätigkeit gründet sich auf Theorien, die englische Kriminologen in den 1970-er Jahren aufstellten». Verbrecher pflegen bestimmten Mustern zu folgen, um ihre Opfer auszusuchen. Die Voraussetzungen für einen Überfall sind ein günstiges Umfeld, zweitens ein verletzliches Opfer und drittens ein motivierter Angreifer. «Dieser entscheidet sich zum Beispiel an dieser Ecke und nicht an jener seinen Überfall durchzuführen, weil an dieser die Beleuchtung defekt ist oder weil hier eine Dame mit einer Louis-Vuitton-Handtasche unterwegs ist», erläutert Macarena Rau. «Über vier Jahre haben wir öffentliche Räume bewertet und Vergleiche gezogen zwischen denjenigen, in denen wir eingegriffen haben und denen, die bisher unverändert sind. Die Ergebnisse sind bemerkenswert. Die Angstwahrnehmung ist um 27 Prozent gesunken und die Verbrechen um 23 Prozent. Das ist sehr viel!»
Allerdings können optimale Ergebnisse nur erreicht werden, wenn die Kommunalverwaltungen mitziehen: «Den größten Rückgang konnten wir in Puente Alto messen, wo wir die Siedlung Pedro Aguirre Cerda mit CPTED intervenierten. Wir arbeiteten anderthalb Jahre daran und die Gemeinde führte parallel dazu mehrere Programme durch.»
Natürliche Überwachung
CPTED wendet verschiedene Prinzipien an, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Eines ist zum Beispiel die «natürliche Überwachung», womit «sehen und gesehen werden» gemeint ist. «Dabei müssen die Architektur und die städtische Umwelt behilflich sein», erläutert Macarena Rau. Das bedeutet offene Gesichtsfelder schaffen, wo keine Fallen vorhanden sind, in denen sich Verbrecher verstecken könnten. Eine gute nächtliche Beleuchtung ist wichtig. Nicht einfach zu handhaben ist in Lateinamerika das Prinzip der Aufrechterhaltung. Dazu fällt ihr ein Forum in Mexiko ein, in dem zukunftsweisende Entscheidungen diskutiert wurden: «Der chilenische Vertreter sprach von einer Planung über sechs Jahre, der Mexikaner kam auf acht, und dann trug der deutsche Vertreter zum Erstaunen der Anwesenden vor, in seinem Land plane man über 80 Jahre! Er begründete dies mit der Tatsache, dass erfahrungsgemäß in zehn Jahren nichts Beständiges aufgebaut werden könne.» Und schließlich ist da das Prinzip der Beteiligung der Gemeinschaft, welches besagt, «dass alle Einwohner der Stadt Experten dieses Gebiets sind. Daher müssen die Projekte partizipativ sein. Die anzuwendenden Strategien kann und soll man nicht nur von einem Schreibtisch aus entwerfen.»
Kultureller Wandel
Die Gesellschaft ist nun 15 Jahre in Chile tätig. «Heute bin ich froh, dass wir eine Online-Plattform erstellt haben, um eine große Anzahl interessierter Leute schulen zu können». Zurzeit beurkunden Macarena Rau und ihre Mitarbeiter 64 Beamte des Vizestaatssekretariats für Kriminalprävention. Um diese Ergebnisse zu erlangen, war der Weg denkbar mühselig: «Wir stellen einen kulturellen Wandel dar.» Allerdings reagierten verschiedene Gemeinden bereits positiv: «Wir haben mit Independencia, Puente Alto, Vitacura, Peñalolén, El Bosque, Antofagasta, Coyhaique und Temuco zusammengearbeitet. Das hat uns ermutigt, dieses Modell zu stärken», unterstreicht sie. «Dabei konnten wir feststellen, dass solche Projekte idealerweise von unten nach oben gestaltet werden sollten.»
Für Macarena Rau war schon seit der Schulzeit der Dienst an der Gesellschaft die treibende Kraft. Dem widmet sie sich seit etlichen Jahren beruflich mit großer Hingabe: «Was ich tue, begeistert mich, ich genieße es sehr intensiv. Was für ein Glück, dass ich dafür auch noch bezahlt werde! Ich würde allen Schulkindern raten, dass sie um das, was ihnen am meisten Spaß macht kämpfen, denn wenn einem das glückt, dann wird man erfolgreich sein, weil man es mit hundert Prozent Liebe und Energie tut.»