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Marisol Richter – Direktorin des Masters Kulturgutmanagement an der Universidad de los Andes

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Es ist nie zu spät im Leben

Marisol Richter vor einem Plakat am Eingang des Kunstmuseums auf dem Campus der Universidad de los Andes. Foto: Petra Wilken
Marisol Richter vor einem Plakat am Eingang des Kunstmuseums auf dem Campus der Universidad de los Andes. Foto: Petra Wilken

 

Es ist nie zu spät im Leben, sagte sich Marisol Richter und wagte mit 39 den Sprung ins kalte Wasser: Sie kündigte ihren Job und begann Kunstgeschichte zu studieren. Elf Jahre dauerte es, bis sie ihre Studien erfolgreich mit einem Master abschloss. Sie hat nie einen einzigen Moment bereut.

 

Von Petra Wilken

Heute ist Marisol Richter Scheuch Direktorin des Masterstudienganges Kulturgut-Management an der Universidad de los Andes, der großen privaten katholischen Universität. Mehr als 10.000 Studierende und rund 1.800 Lehrkräfte zählt die zum Opus Dei gehörende Hochschule, deren Schwerpunkt auf dem Gesundheitswesen liegt und die auf dem riesigen Campus in Las Condes eine Universitätsklinik betreibt.

Bevor sich die Deutsch-Chilenin neu erfand, wie sie es ausdrückt, war sie zwölf Jahre lang Assistentin des Unternehmers Wolf von Appen bei Ultramar. Sie hatte Sekretärin bei Manpower gelernt und fand gleich im Anschluss die Anstellung bei Ultramar. Die Arbeit lag ihr sehr gut. «Aber ich hatte da so einen Dorn im Fleisch», sagt sie. Dieser hatte damit zu tun, dass sie nach Beendigung der Schule kein Universitätsstudium absolviert hatte. Und Geschichte hatte sie schon immer fasziniert. Für sie hat das mit der bewussten Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln zu tun.

 

«Die eigenen Wurzeln sind sehr wichtig»

Ihr Vater Heinz Richter war während des Ersten Weltkriegs 1916 in Zerbst bei Berlin geboren worden. In den 1920er Jahren wanderten seine Eltern mit ihren zwei Kindern nach Chile aus. Ihr Vater studierte hier Medizin und nahm die chilenische Staatsbürgerschaft an. Er heiratete Sylvia Scheuch Piwonka, eine Deutsch-Chilenin aus Osorno, deren Vorfahren mit den ersten Einwanderungswellen um 1850 und 1870 ins Land gekommen waren.

Sie selbst hat kein Anrecht auf die deutsche Staatsangehörigkeit, weil ihr Vater sie abgelegt hatte. «Doch auch wenn ich formell nicht Deutsche bin, so ist die Geschichte und Kultur meiner Vorfahren für mich von Bedeutung. Der Krieg ist ein Teil meiner Familiengeschichte. Die eigenen Wurzeln sind sehr wichtig», betont sie. Deshalb sei es für auch eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass ihr Sohn Federico ebenso wie sie auf die Deutsche Schule Santiago gehen würde.

 

Kunstgeschichte und Interesse am historischen Erbe

Als sie sich für das Studium der Kunstgeschichte entschied, reizte es sie jedoch, mehr über das historische Erbe des Landes zu erfahren, in dem sie lebt. «Mich interessierte die Kunst der Kolonialzeit und die des 19. Jahrhunderts. Auch wenn sie nicht direkt mit meiner eigenen Lebensgeschichte zu tun hat, so lebe ich doch in dem Land, das sie beeinflusst hat», erklärt sie.

«Ich hatte ziemliche Angst, als ich mit 39 die Entscheidung traf zu studieren und bei Ultramar kündigte. Aber ich habe diese Entscheidung nicht einen einzigen Tag bereut. Ultramar hatte mir eine Form des Arbeitens vermittelt, die mir sehr geholfen hat – die Zielorientiertheit und Beständigkeit zum Beispiel. Oder niemals den Mut zu verlieren. Akademische Forschung kann oftmals sehr hart sein, man muss sich permanent beweisen. Das ist eine sehr schöne Herausforderung, wenn man seine eigenen Grenzen erkennt und es gelernt hat, den anderen zuzuhören», sagt sie.

Sie studierte Kunstgeschichte an der Internationalen Universität SEK, da es die einzige Uni war, die den Schwerpunkt auf Geschichte und nicht auf Philosophie oder Architektur setzte. Anschließend machte sie einen Master in chilenischer Geschichte an der USACH. Das gesamte Studium dauerte von 2000 bis 2011. «Es war nicht einfach, es zog sich hin wegen der Studentenbewegungen und weil mein Sohn klein war. Aber ich habe es geschafft, und den Master habe ich mit einer Sieben abgeschlossen», erzählt sie stolz.

 

Leitern des Kunstmuseums an der Universidad de los Andes

2011 wurde sie als Leiterin des Kunstmuseums der Universidad de los Andes angestellt. Das öffentliche Museum vereint eine religiöse Kunstsammlung russischer Ikonen und von Gemälden und Statuen des andinen Barocks. Im vergangenen Jahr wurde ihr die Leitung des Masterstudiengangs in Kulturgutmanagement angeboten, der eine praktische Ausrichtung hat. An der Bewahrung der Kulturgüter seien immer mehr Menschen interessiert. Die Studierenden kommen aus ganz unterschiedlichen Berufen, darunter Architekten, Historiker und Restauratoren, aber auch Pädagogen, Journalisten oder mal ein Musiker.

Der Erhalt des kulturellen Erbes liegt Marisol Richter sehr am Herzen. Für sie erzeugt die Verbreitung des Wertes dieses Erbes sozialen Zusammenhalt in einer Gesellschaft und hat einen wichtigen pädagogischen Aspekt: «Im Chile des 19. Jahrhunderts hat die hohe Gesellschaft die Kultur an die Leute vermittelt, aber das hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts verloren. Die Aufgabe haben heute die Museen und Kultursammlungen. Wenn du den Menschen erklärst, was hinter den Objekten steckt, dann wollen sie mehr wissen, sie identifizieren sich, ihr Horizont erweitert sich.»

Ihr jetziger Job ermöglicht es ihr, weiterhin auch als Kuratorin für das Museum der Uni tätig zu sein. So erarbeitet sie im Moment zusammen mit einer Gruppe von Akademikern der Hochschule eine Ausstellung von Devotionalien für den Hausaltar, auf Spanisch santitos populares. Es handelt sich um bemalte Heiligenfiguren aus Holz, die vor allem aus ländlichen Haushalten stammen. Angefertigt wurden sie meistens von den Tischlern des Ortes nach dem Geschmack ihrer Auftraggeber, ein Ausdruck populärer Frömmigkeit. Marisol Richter hat jedes Detail der kleinen rustikalen Kunstwerke studiert und arbeitet mit Begeisterung am Ausstellungskatalog. Im kommenden Jahr wird diese Initiative von ihr zu besichtigen sein.

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