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martes, 15. octubre 2024
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Die Mapuche – stolze Reiterkrieger in Araukanien

Buchtipp «Usos y costumbres de los Araucanos» von Claudio Gay

Das traditionelle Hockeyspiel Palín oder auch Chueca der Mapuche. Quelle: Claudio Gay, 1854, Biblioteca Nacional de Chile
Das traditionelle Hockeyspiel Palín oder auch Chueca der Mapuche. Quelle: Claudio Gay, 1854, Biblioteca Nacional de Chile

 

Sie errichteten keine imposanten Pyramiden wie die Maya oder Azteken; und sie herrschten nicht über ein riesiges Reich wie die Inka. Doch von allen indigenen Ureinwohnern Amerikas leisteten die Mapuche in Chile den spanischen Konquistadoren und später den chilenischen Soldaten am erfolgreichsten Widerstand. Wer waren diese furchtlosen, ihre Freiheit liebenden Krieger?

 

Von Arne Dettmann

Sie sollen von mittlerer Größe gewesen sein, kräftig gebaut, rundes Gesicht, platte Nase, kaffeebraune- bis olivfarbene Haut, ausgestattet mit einer rauen, lauten Stimme und kleinen, schwarzen Augen in nur leicht schräger Stellung. So beschreibt der französische Naturforscher Claudio Gay den Prototypen der Mapuche, jenem indigenen Volk Südamerikas, dessen angestammtes Gebiet sich auf Chile und Argentinien erstreckt.

Gay (1800-1873) war 1828 aus Frankreich nach Chile aufgebrochen, um dort naturwissenschaftliche Forschung zu betreiben. Doch der Gelehrte erfasste nicht nur akribisch Pflanzen und Tiere. Auf einer 17-monatigen Reise 1834 nach Valdivia – bei der Gay auf der Insel Chiloé Charles Darwin kennen lernte – besuchte er zudem das Begräbnis eines Mapuche-Anführers (cacique), das ihn schwer beeindruckte. Es folgten in den nächsten Jahren weitere Expeditionen zu den Mapuche, die er mit Hilfe von Dolmetschern zu ihrer Kultur befragte. So entstanden hunderte von ethnografischen Aufzeichnungen, die Gay erst am Ende seines Lebens anfing zu ordnen. Der Tod machte ihm 1873 einen Strich durch die Rechnung. Erst jetzt sind die Manuskripte als Buch erschienen.

 

Einblicke in ein Naturvolk

Claudio Gay geht detailliert auf Kleidung, Häuser, Nahrungsmittel, Ehe und Familie, Medizin, Sprache sowie Religion der Mapuche ein. Der Leser erhält einen umfassenden Einblick in ihre Lebenswelt. Doch fast noch interessanter ist der Gesamteindruck, der dabei entsteht: Gay zeichnet letztendlich das Bild einer nicht sehr weit entwickelten, ja primitiven Kultur, ohne jedoch dabei in Chauvinismus zu verfallen.

Das Rad war den Mapuche unbekannt, ihre Werkzeuge noch aus Stein, es fehlte eine Schrift sowie jegliche höhere Staatsorganisation, das Volk lebte versprengt in den Weiten Araukaniens und allenfalls in größeren Familienverbänden vereint. Wenn er die «Germania» des römischen Historikers Tacitus lese, so Claudio Gay, dann komme er nicht umhin, die dort beschriebenen Charakterzüge der alten Germanen auch bei den Mapuche vorzufinden.

Darstellung von Claudio Gay, «Araucanos», 1854
Darstellung von Claudio Gay, «Araucanos», 1854

So unterstreicht der Franzose ihre Tapferkeit im Krieg und deren unbändigen Freiheitswillen. Doch was barbarisch anmute, sei doch nur allzu verständlich: Den permanenten Angriffen der Spanier und später der Chilenen ausgesetzt, hätten die Mapuche einfach nur entschlossen ihre Familien und Lebensumgebung verteidigt.

Dass dieser Kampf einmal mit einer Niederlage für sie enden würde, hat auch Claudio Gay geahnt. Der Franzose blieb bei seinem ersten Aufenthalt bis 1842 in Chile und kehrte 1862 auf Einladung des Nationalkongresses zurück – just zum Beginn der sogenannten Befriedung Araukaniens, der gewaltsamen Eingliederung des Mapuche-Gebietes in den chilenischen Staat. Die indigenen Ureinwohner wurden 1883 endgültig unterworfen. Gay war sich bewusst, dass er Zeuge einer untergehenden Kultur war, die weder große Tempelanlagen noch Pyramiden zurücklassen würde.

 

Guerilla-Taktik und begnadete Reiter

Den über 300 Jahre langen, erfolgreichen Widerstand gegen Eindringlinge führt Claudio Gay auf ein paar wesentliche Faktoren zurück, die auch der Anthropologe und Soziologe Helmut Schindler in seinem Buch «Bauern und Reiterkrieger. Die Mapuche- Indianer im Süden Amerikas» 1991 zusammengefasst hat: Im Gegensatz zu den Azteken und Inka lebten die Mapuche in keinem zentralistisch verwalteten Reich, sondern in vielen unabhängigen Einheiten. Ihr Wohngebiet aus Bergen und Wäldern war wie geschaffen für die Guerilla-Taktik. Und schließlich übernahmen die Mapuche sowohl neue Kampftechniken als auch das Pferd – und wurden laut Gay zu hochbegabten Reitern, besser als die Spanier.

Der Naturforscher weist allerdings auch auf ihre Schwächen hin. Praktisch jedes ihrer Feste würde in einem Saufgelage enden, und bezüglich Arbeit sowie zivilisatorischer Fortschritte würden die Mapuche träge bis resistent reagieren. Warum? Claudio Gay glaubt, dass innerhalb der friedlichen Subsistenzwirtschaft einfach kein Bedarf für Weiterentwicklung vorhanden war. Einen negativen Impuls gab es dann allerdings von außen: Erst durch Einfluss sogenannter schlechter Chilenen wie Deserteure, geflohener Straftäter und heimtückischer Händler hätten auch Laster und Luxus in ihrem Leben Einzug gehalten.

 

Machitún und Guillatún

Claudio Gay: «Usos y costumbres de los araucanos» Übersetzt und herausgegeben von Diego Milos Penguin Random House, Santiago, 2018 ISBN: 978-956-9635-26-7
Claudio Gay: «Usos y costumbres de los araucanos»
Übersetzt und herausgegeben von Diego Milos
Penguin Random House, Santiago, 2018
ISBN: 978-956-9635-26-7

Den spanischen Missionaren wiederum wirft der Franzose völlige Ignoranz und Unverständnis im Umgang mit den Mapuche vor. Wie alle naturnah lebende Kulturen hätten auch die Araukaner ihre Lebenswelt aus riesigen Wäldern, reißenden Flüssen und rauchenden Vulkanen in einer allumfassenden, mythischen Anschauung interpretiert. Hinter der Wärme und Licht spendenden Sonne steht demnach die Gottheit Antucherove. Schlechte Ernten, Krankheiten und Erdbeben werden auf die Figur des Huecuvu zurückgeführt. Das Böse kann durch Schamenen wie den Machis in Zeremonien (Machitún und Guillatún) aus dem Körper eines Kranken oder der Gemeinschaft vertreiben werden. Dieses «Wilde Denken» – ein Begriff, der später von dem Ethnologen Claude Lévi-Strauss geprägt wurde – mag falsch sein und sich rein auf Naturereignisse gründen, so Gay. Doch die Weltanschauung der Mapuche weise Analogien zu anderen Religionen auf und sei durchaus nachvollziehbar.

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