Von Walter Krumbach
Mittelpunkt des Films ist die legendäre Figur des Trappers Hugh Glass (1783-1833), der einen Grizzlybärangriff überlebte. Schwerverletzt soll er von seinen Begleitern mit Fellen bedeckt und verscharrt worden sein. Die angsterfüllten Trapper befanden sich in feindlichem Indianergebiet, weshalb sie so schnell wie möglich fliehen wollten und daher ihren vermeintlich tödlich verletzten Kollegen verfrüht bestatteten. Glass erholte sich jedoch, raffte sich mühsam auf, buddelte sich frei und konnte sich retten.
Der mexikanische Regisseur Alejandro G. Iñárritu setzt in dem zweieinhalbstündigen Streifen die Wildnis abgelegener Gebiete im winterlichen Kanada mit einmalig schönen Bildern in Szene. Als die Schneeschmelze optisch keine Kälte mehr glaubhaft machte, reiste die Filmcrew nach Ushuaia, ins südliche Argentinien, wo die Schlusssequenzen entstanden. Iñárritu lässt sich Zeit, seine langen, ruhigen Aufnahmen der überwältigenden Naturschauplätze versetzen in Staunen. Der Zuschauer wird inmitten eines überfluteten Waldes versetzt oder erlebt aus nächster Nähe, wie der verwundete Glass von einem reißenden Fluss ergriffen und durch die eisigen Stromschnellen geschleudert wird.
Bezeichnenderweise verzichtet der Mexikaner auch bei den brutalen Kampfeshandlungen weitgehend auf Schnitte, was dem Handlungsrhythmus keineswegs schadet. Im Gegenteil: Die ausgedehnten Einstellungen vermitteln dem Zuschauer ein oft beängstigendes Gefühl der Wahrhaftigkeit, des sich-inmitten-des-Geschehens-befinden.
Dieser Glaubwürdigkeit entsprechend mussten die Darsteller einen denkbar harten Beitrag leisten. Leonardo DiCaprio sagte nach den Dreharbeiten in einem Interview: «Persönlich stieß ich unzählige Male an mein körperliches und seelisches Limit.» Die Überlebensgeschichte seiner Figur gab ihm die Gelegenheit, eine schauspielerische Leistung mit Seltenheitswert zu vorzulegen. Glass lebt in ständiger Furcht vor Mensch und Tier, er kämpft mit Gewehr und Messer, robbt über den feuchten Waldboden, flüchtet mühsam schwimmend aus einem eisigen Fluss, behandelt behelfsmäßig seine schweren Wunden. Die lähmende Angst vor dem Ende, das jeden Moment eintreten kann, lässt ihm keine Ruhe. DiCaprios Begabung war schon seit seinem «Titanic»-Erfolg bekannt, mit dem «Rückkehrer» legt er ein bewundernswertes Reifezeugnis ab.
Die Bildqualität ist superb. Die treffliche Leistung des Kameramanns Emmanuel Lubezki kommt sowohl beim Einfangen der berückenden Landschaftsbilder als auch der packenden Leidensgeschichte der Hauptfigur voll zur Geltung. Ebenso ist der 7.1-Ton rundum gelungen. Dabei wurde jegliche Effekthascherei vermieden: die Geräuschquellen sind natürlich gestaffelt, die Musik angemessen eingesetzt.
Als Bonus wartet die Platte mit der Dokumentation «A World Unseen» auf. Regisseur, Hauptdarsteller und weitere Produktionsmitglieder berichten von den Dreharbeiten. Ungeahnt fällt dabei die Betonung auf Natur- und Umweltschutz, auf Raubbau und Ausrottung der Tier- und Pflanzenwelt. Ein lohnender Zusatz, kein Zweifel.
«The Revenant», USA, 2015. Regie: Alejandro G. Iñárritu. Produktion: Steve Golin. Drehbuch: Mark Smith, Alejandro G. Iñárritu. Musik: Bryce Dessner. Kamera: Emmanuel Lubezki. Schnitt: Stephen Mirrione. Mit Leonardo DiCaprio, Tom Hardy, Domhnall Gleeson, Will Poulter. Spieldauer: 156 Min.
Bild *****
Ton *****
Darbietung *****
Extras ***