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domingo, 26. enero 2025
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Lieselotte Schwarzenberg Matthei (91): Ein Doktortitel in München

Lieselotte Schwarzenberg Matthei lebt heute im Seniorenwohnheim Hualtatas in Santiago de Chile. Im Cóndor-Porträt berichtet sie über ihr Leben, das sie auch nach Deutschland führte.
Lieselotte Schwarzenberg Matthei lebt heute im Seniorenwohnheim Hualtatas in Santiago de Chile. Im Cóndor-Porträt berichtet sie über ihr Leben, das sie auch nach Deutschland führte.

 

Die Deutsch-Chilenin Lieselotte Schwarzenberg Matthei war gerade 25, als sie sich 1952 alleine ins Nachkriegsdeutschland aufmachte. Mit einem Doktortitel im Gepäck und einem Ehemann an der Seite sollte sie Jahre später zurückkehren.

 

Von Petra Wilken

Lieselotte Schwarzenberg war gerade mit ihrem Studium als Spanisch- und Deutschlehrerin am Instituto Pedagógico der Universidad de Chile fertig, als ihr Professor Antenor Rojo sie mit einem Angebot überraschte: «Usted se encontró la virgen amarrada en un trapito. In Hamburg brauchen sie einen Lektor für Spanisch an der Uni.» Die chilenische Metapher für einen einzigarten Glücksfall ist der einzige spanische Ausdruck, den die heute 91-Jährige im Gespräch mit dem Cóndor in ihrem gemütlichen Zimmer im Hogar Alemán Tupungato benutzt. Nach wie vor spricht sie deutsch, als wäre sie in Deutschland geboren und aufgewachsen.

Dabei kam Lieselotte Schwarzenberg in Santiago als Kind von Lotte Matthei aus Osorno und dem Kinderarzt Otto Schwarzenberg aus Valdivia zur Welt. Die Vorfahren der Eltern waren in den 1850er Jahren in den Süden Chiles eingewandert. Mütterlicherseits war es Eduard Buschmann, der sich ans andere Ende der Welt aufgemacht hatte. Seine Tochter heiratete einen Schilling. So denkt Lieselotte Schwarzenberg immer noch gerne daran zurück, dass sie jeden Sommer auf dem Landsitz von Fritz Matthei Schilling bei Purranque mit ihren Vettern und Cousinen spielte, die sie Loli nannten. Den Spitznamen trägt sie bis heute.

 

Lektorin an der Universität Hamburg

Beim Rückblick auf ihr langes und bewegtes Leben erinnert sie sich in allen Einzelheiten an ihre Zeit in Deutschland. An der Universität Hamburg war sie ein Jahr lang als Lektorin in der Philologischen Abteilung für romanische Sprachen angestellt, gab Spanischunterricht und war an einer Überarbeitung des seit den 1930er Jahren existierenden berühmten deutsch-spanischen Wörterbuchs Slabý/Grossmann beteiligt.

«Nach einem Jahr in Hamburg bin ich nach München gegangen. Ich hatte beschlossen, dort meinen Doktor zu machen», erzählt Lieselotte Schwarzenberg, als ob es das Normalste der Welt gewesen wäre, dass junge Frauen in den 1950er Jahren promovierten. Das erste Jahr in München sei sehr hart gewesen, da sie das große Latinum nachholen musste. Doch sie habe Glück gehabt, da sie die Prüfung über einen Prosatext von Tacitus ablegen konnte, was nicht schwer gewesen sei.

Auch im Hauptfach Romanistik hatte sie keine Probleme. Sie suchte sich den chilenischen Schriftsteller Mariano Latorre (1886-1955) aus. Doch die Prüfung in deutscher Literatur wurde zu einem wahrhaft traumatischen Erlebnis, an das sie sich bis heute mit Schaudern erinnert. Das Thema: Gerhard Hauptmann (1862-1946). Sie hatte praktisch sein gesamtes Werk gelesen, doch sie wäre nicht auf die Idee gekommen, dass der Prüfer sie nach Veröffentlichungen in deutschen Zeitschriften fragen würde. Sie konnte keine Antwort geben. «Es war schlimm. Der Professor aus Berlin und auch der Assistent schüttelten nur die Köpfe.» Am Ende hätte der Prüfer festgestellt: `Ach, Sie kommen aus Chile!´. – Sie bekam den Doktortitel, trotz des Professors aus Berlin.

 

Eine schöne Zeit in München

«Es war eine schöne Zeit in München», erinnert sie sich. Sie lernte dort ihren Mann, den Holländer Leo Johann Peter Delhey, kennen. 1955 schifften sich beide nach Chile ein. Auf der langen Überfahrt spürte sie zum ersten Mal ihre Wirbelsäule. Ihr Leben lang sollte sie eine Arthrose an der Lendenwirbelsäule begleiten, mit der sie sich einrichten musste und die sie heute im Alter stark gebeugt gehen lässt.

Mit ihrem Mann kam Lieselotte Schwarzenberg viel herum. Als Ingenieur und Diplom-Kaufmann fand er Anstellung bei der Compañía de Acero del Pacífico ( CAP) in Talcahuano und wirkte am Bau des Hafens San Vicente mit. Danach wurde er nach Santiago versetzt, wo die Kinder Beatrice und Robert zur Welt kamen. Während der Unidad Popular schickte er seine Familie nach Buenos Aires. Diese Zeit alleine mit den beiden kleinen Kindern in Argentinien erinnert Lieselotte Schwarzenberg als sehr schwer. Doch bald schon holte ihr Mann sie ab und die Familie ging nach Honduras, wo er von einem US-amerikanischen Arbeitgeber hin versetzt wurde.

 

Rückkehr nach Chile

Nach der Rückkehr nach Chile gingen Beatrice und Robert auf die Schweizer Schule. «Leo wollte nicht, dass sie auf die Deutsche Schule gingen. Als Holländer hat er während der Nazizeit gelitten. Er hat viel durchgemacht, mein Leo», erzählt sie. «Was die Menschen in Europa alles erlebt haben. Da muss man staunen», fügt sie hinzu. Ihr Mann ist bereits vor mehreren Jahren gestorben. Ihre Tochter Beatrice, die Krankenpflegerin und Hebamme wurde, lebt seit einigen Jahren in Texas in der Nähe von Houston.

Über ihre Tochter, die einen US-Amerikaner geheiratet hat, hat sie eine traurige Geschichte zu erzählen: Sie verlor ihren einzigen Sohn, als er 17 war, bei einem Autounfall. Ihr Sohn Robert studierte Tiermedizin und heiratete Bettina Langerfeldt, die Tochter eines Klassenkameraden von Lieselotte Schwarzenberg an der Deutschen Schule. Von ihnen hat sie vier Enkelkinder, drei Mädchen und einen Jungen. «Sie sind alle sehr gottesgläubig», erzählt sie. Auch sie selbst ist praktizierende Lutheranerin und besucht die Gottesdienste, die die Kirche einmal monatlich im Altenheim anbietet.

«Was war die schönste Zeit im Leben?», stellt sie sich selbst zum Abschluss des Gesprächs die Frage. Eine endgültige Antwort hat sie nicht gleich parat, aber spontan meint sie: «Die Zeit in Deutschland.».

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