Dortmunderin leitet Häuser für Obdachlose in Recoleta
«Diese Arbeit gibt richtig Sinn – auch wenn die Arbeit mit Kindern schöner ist», ist Schwester Teresas Erfahrung. Seit fünf Jahren leitet die gebürtige Dortmunderin die beiden Obdachlosenhäuser in Recoleta. Die gelernte Erzieherin mit dem freundlichen Gesicht kann man sich auf den ersten Blick tatsächlich eher in ihrem ursprünglichen Beruf vorstellen.
Von Silvia Kählert
«80 Prozent der Männer hier haben Probleme mit Alkohol oder Marihuana, Kokain oder Pasta base», erklärt sie. «Keiner von ihnen wollte das. Daher versuchen wir festzustellen, was die Ursache ist. Oftmals sind sie gedemütigt worden. Wir geben ihnen ihre Menschenwürde zurück.» Sie hat einen weiten Weg hinter sich gebracht, ehe sie sich dieser Aufgabe stellte.
Berufung zur Ordensschwester
Im Jahr 1961 im Dortmunder Stadtteil Aplerbeck geboren, war ihr diese jedenfalls nicht in die Wiege gelegt worden: Beide Eltern waren Kaufleute. Ihr Vater arbeitete in den 60er Jahren bei der Firma Hoesch bereits mit einem der ersten Computer. Sie wuchs als drittes Kind mit zwei Brüdern auf. Als Zweitklässlerin fing sie an, sich geradezu leidenschaftlich in ihrer katholischen Gemeinde zu engagieren: «Ich machte überall mit, ob Kinderchor, Spielgruppe, Theater oder Gebetskreis. Das habe ich vor allem unserem Pfarrer zu verdanken, der uns hat aktiv sein lassen.»
Nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin begann die damals 20-Jährige über eine Berufung als Ordensschwester nachzudenken. «Eine große Hilfe auf diesem Weg der Orientierung war mir unser Vikar, Pater Ulrich», erzählt Schwester Teresa dankbar. «Es ständen mir alle Möglichkeiten offen, erklärte er mir: Man könne auch verheiratet diesen Weg gehen, man kann in allen Berufen arbeiten.» Schließlich legte sie 1987 ihre ersten Gelübde bei den Steyler Missionsschwestern ab.
Zwei Jahre später schickte sie ihr Orden für drei Jahre nach Chile. «Bloß nicht auf die Philippinen. Da gibt es immer Sturm», hatte ihr Bruder sie damals gewarnt. Doch gar nicht mal die Erdbebengefahr fürchtete die Ordensschwester am meisten, sondern die fehlenden Spanischkenntnisse. Nachdem sie für zwei Jahre in Deutschland war und auf die ewigen Gelübde vorbereitet worden war, hat sie seit ihrer Rückkehr 1994 immer in Chile gelebt. «Chilenisch» erwies sich schließlich nicht als das größte Hindernis.
Umzug nach Recoleta
Eine Wende nahm ihr Leben 2007. Ohne offensichtliche Ursache spürte Schwester Teresa, dass sie in eine Lebenskrise geraten war. Um sich über sich selbst klar zu werden, lebte sie fünf Monate bei den Karmelitinnen: «Dies war spirituell die beste Zeit meines Ordenslebens.»
Da in diesem Klausurorden das Gebet und die Kontemplation im Mittelpunkt stehen, wurde ihr bewusst, dass dies keine Glaubenskrise sein konnte. Dennoch: «Der Orden der Karmelitinnen war nicht mein Weg.» Daher versuchte sie sich wieder bei den Steyler Schwestern in Las Condes zu integrieren. Zur gleichen Zeit trat sie ihre neue Arbeitsstelle in einem Kindergarten in Recoleta an. «Dies bewirkte bei mir einen Kulturschock: Bei meinen Hausbesuchen stellte ich fest, dass oftmals eine ganze Familie in einem Zimmer leben musste, das ich für mich alleine hatte.»
Schließlich entschied sie sich, aus dem Orden der Steyler Ordensschwestern auszutreten und Mitglied der Comunidad de Jesús zu werden. «Nicht für die Armen leben, sondern mit ihnen das Leben zu teilen.» Dieses Motto der Gründerin der Fundación Cristo Vive, Schwester Karoline Mayer, überzeugte sie. «Wenn wir bei den Menschen hier wohnen, teilen wir auch ihre Probleme: Schießereien, Schlägereien auf der Straße erleben wir mit. Dadurch gewinnen wir auch ihr Vertrauen.»
Vor fünf Jahren begann wieder ein neuer Lebenseinschnitt: Bei einem Sturz brach sich Schwester Teresa die rechte Schulter. «Bald war für mich klar, dass ich so nicht mehr für die Arbeit mit Kindern geeignet war.»
Arbeit mit den Obdachlosen
Im gleichen Jahr kam das Ministerio de Desarrollo Social auf die Fundación zu. Das Ministerium fragte an, ob die Schwestern bereit seien, eine Winterherberge für die Obdachlosen zu leiten. «Ja, aber nur unter der Bedingung, dass sie auch im Rest des Jahres weiterbesteht», war Schwester Karolines Antwort. Mit Hilfe von Spenden und Mitteln der Stiftung ist dies möglich. Schwester Teresa leitet seitdem das Obdachlosenheim, das Männern und Frauen, die tagsüber auf der Straße unterwegs sind, nachts eine Schlafmöglichkeit bietet.
Seit Juni 2013 existiert das zweite Haus in der Calle Lircay. «Hier wohnen auch tagsüber rund 20 Männer, bei denen eine Chance besteht, dass sie wieder alleine leben können. Rund 30 Prozent von ihnen schaffen es, eine Arbeit zu finden und eventuell mit Hilfe von Freunden oder Familienangehörigen ein selbstständiges Leben zu führen», freut sich die Schwester.
Damit dies möglich ist, beschäftigt sie ein achtköpfiges Team von Psychologen, Sozialarbeitern, Betreuern und zwei Praktikanten. Ihre Devise ist: «Wir sitzen alle zusammen an einem Tisch: das Team und die Bewohner. Auch Angebote wie Yoga machen wir gemeinsam. Unsere Schützlinge sollen wissen, dass sie respektiert werden, dass ihnen keiner ihre Menschenwürde nehmen kann.»
Demnächst muss sie wieder einen Projektantrag an die Regierung verfassen, damit mit Hilfe der staatlichen Mittel im Winter der Betrieb der Heime finanziell gesichert ist. Jedoch sieben Monate im Jahr ist die Stiftung auf Spenden von außen angewiesen, damit Lebensmittel eingekauft, Gehälter und Gebäude bezahlt werden können. Die Heimleiterin ist ständig am Rechnen und Kalkulieren. Ihre neueste Idee: «Wir fragen beim Gemüsehändler um die Ecke und inzwischen auch in La Vega nach Gemüse und Obst, das sich nicht verkaufen lässt.»
Wer die Arbeit für die Obdachlosen von Schwester Teresa unterstützen möchte, kann auf folgendes Konto spenden:
RUT 71.735.400-1; Banco de Chile, donaciones@fundacioncristovive.cl, Cuenta Corriente N° 01133-09, Fundación Cristo Vive, Verwendungszweck: Obdachenlosenheime Schwester Teresa