«Gar nicht so leicht, wenn man alles ganz genau und richtig machen will»
Eine eigene Zahnarztpraxis in Chile zu eröffnen ist schwierig. Die Bürokratie legt einem ständig Hindernisse in den Weg. Doch Veronica Schulte-Herbrüggen biss sich durch.
Von Arne Dettmann
Die Räume der Zahnklinik «Berlin» im 7. Stock des Edificio Médico Alcantara in der Straße Apoquindo sehen blendend aus: Alles erstrahlt in hellem Weiß, hier herrscht Sauberkeit und Ordnung. Seit Juni 2017 können sich Patienten in der neuen Praxis behandeln lassen. Das Angebot reicht von klassischer Zahnmedizin der Kariesbehandlung und Zahnreinigung über Kieferorthopädie bis hin zum Setzen von Implantaten. Doch vor die Eröffnung hatten die Götter den Schweiß gesetzt.
«Es war ein zehn Monate langer bürokratischer Hürdenlauf», berichtet Veronica Schulte-Herbrüggen. Zertifikate und Genehmigungen mussten bei der Gesundheitsbehörde und Gemeindeverwaltung von Las Condes angemeldet sowie für Umbaumaßnahmen unzählige Regeln eingehalten werden. Ein langer Prozess, der viel Zeit und Mühe kostete, wie die Zahnärztin versichert. Erschwerend kam noch hinzu, dass Veronica eine deutsche Mentalität besitzt. «Man will eben alles ordnungsgemäß, richtig und ganz genau machen.»
Deutsches Verantwortungsbewusstsein wurde ihr offenbar vom Elternhaus mit in die Wiege gelegt. Als Kind einer deutschen Mutter und eines deutsch-italienischen Vaters aus Chile, kam sie 1987 in Berlin zur Welt. Weil der Vater für das Pharmaunternehmen Schering und später durch die Firmenübernahme für Bayer in Argentinien, Kolumbien und Chile tätig war, hatte Tochter Veronica schon früh Kontakt zur lateinamerikanischen Welt. Doch ihr Abitur machte sie schließlich 2007 in Berlin.
Studium, Familie und Praktikum
Im Anschluss ging sie nach Chile und studierte Zahnmedizin an der Universidad del Desarrollo. Ehemalige Mitschüler aus ihrer Zeit an der Deutschen Schule Santiago hatten sie auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht. Dass sie allerdings hier ihren zukünftigen Ehemann kennen lernen und bleiben würde, «war nicht geplant», wie die 30-Jährige lächelnd einräumt. Das Paar hat einen gemeinsamen dreijährigen Sohn namens Julian. Im Juni dieses Jahres soll der zweite Nachwuchs geboren werden. Neben ihrer Tätigkeit als Zahnärztin arbeitet Veronica auch als Dozentin der Pharmakologie an der Universidad Mayor und der Universidad de Los Andes.
Eine einschneidende Erfahrung war nach der Beendigung des Studiums 2014 ein neunmonatiges Praktikum als zahnärztliche Assistentin in einer öffentlichen Praxis (consultorio). Eine solche Hospitanz wird von den Universitäten vorgeschrieben. Veronica absolvierte sie in La Pintana, einem Stadtteil von Santiago, in dem einkommensschwache Schichten wohnen.
«Was man dort teilweise zu sehen bekommt, ist schon erschreckend und traurig.» Fehlende finanzielle Mittel für einen Zahnarztbesuch sowie eine nachlässige Zahnpflege hätten dort sichtbare Folgen. Veronica: «Oft blieb uns nur noch übrig, Zähne reihenweise zu ziehen. Leider auch bei Kindern.»
Dennoch ist sie für diese Erfahrung sehr dankbar. «Ich halte es für es sehr gut, dass man in sozialschwachen Stadteilen ein Praktikum absolvieren muss und somit die andere Realität Chiles kennenlernt.» Der Unterschied zwischen dem privaten und öffentlichen Gesundheitssektor sei enorm. Soweit es ihre eigenen finanziellen Mittel zulassen, will Veronica auch sozial schwächere Menschen behandeln. «Ich kann wenigstens versuchen, Kindern und Jugendlichen die Bedeutung einer regelmäßigen Zahnpflege zu erklären.»
Keine vollgezuckerten Säfte!
Doch das ist gar nicht immer so leicht. Während in Deutschland das Bewusstsein dafür viel ausgeprägter sei, würde im Vergleich zu Chile noch ein großer kultureller Unterschied klaffen. «Es ist hierzulande keine Seltenheit, Kindern vollgezuckerte Säfte und Süßigkeiten zu geben und dabei das Zähneputzen vollkommen zu vernachlässigen.»
Wer trotz guter Zahnpflege Beschwerden hat und zu Veronica muss, der brauche keine Angst zu haben. Die Zahnarztpraxis als ein «Ort des Schreckens» sei ein Klischee von gestern. Die Technik habe sich in den vergangenen Jahren so schnell entwickelt, die Kenntnisse derart erweitert, dass Eingriffe heute wesentlich schneller und unkomplizierter ablaufen würden. «Vor 20 Jahren wäre es undenkbar gewesen, eine Krone in derselben Sitzung zu preparieren und einzusetzen.»
Wichtig für einen angenehmen Zahnarztbesuch sei zudem das persönliche Gespräch mit dem Patienten. Zu Veronicas Kunden zählen nicht nur Chilenen, sondern auch Deutsch- und Englischsprachige. «Es hilft vielen Patienten, wenn ich mich mit ihnen in ihrer jeweiligen Muttersprache unterhalten kann und Sachverhalte erläutere.» Die 30-Jährige räumt aber ein: «Menschen, die Angst vorm Zahnarzt haben, wird es immer geben.» Vielleicht trägt jedoch Veronicas freundliche Art dazu bei, die letzte Furcht zu nehmen.
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Clíncia odontológica Berlin
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Las Condes
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