Schicksal einer Transgender-Frau
Von Walter Krumbach
Am vergangenen Sonntag wurde zum ersten Mal in der 90-jährigen Geschichte der Oscarpreisverleihung ein chilenischer Langspielfilm ausgezeichnet. «Una mujer fantástica» («Eine fantastische Frau») des Regisseurs Sebastián Lelio (1974) erhielt die begehrte Statuette als bester fremdsprachiger Film. Seine Konkurrenten waren in der Endrunde «The Insult» (Ziad Doueiri, Libanon), «Körper und Seele» (Ildikó Enyedi, Ungarn), «Loveless» (Andrei Swjaginzew, Russland) und «The Square» (Ruben Östlund, Schweden). Nicht weniger als 92 Filmemacher hatten ihre Werke zum Wettbewerb eingereicht.
An der Produktion von «Eine fantastische Frau» wirkten außer chilenischen Kräften auch ZDF/ARTE, Fabula Film, Setembro Cine und Komplizen Film aus Deutschland, Spanien und den USA mit.
Der Streifen schildert das Schicksal von Marina, einer Transgender-Frau (Daniela Vega), die mit dem 20 Jahre älteren Orlando (Francisco Reyes) liiert ist. Als Orlando völlig überraschend stirbt, sieht sich Marina mit der ehemaligen Frau, dem Sohn und den restlichen Familienangehörigen des Verstorbenen konfrontiert, die ihr Verhältnis für reine Perversion halten. Die Verwandten verhindern nicht nur ihre Anwesenheit bei der Beerdigung, sondern demütigen sie außerdem auf grausame Art.
Das hervorragende Drehbuch (Sebastián Lelio, Gonzalo Maza) lässt beide Seiten – die der empörten Familienangehörigen, wie die der trauernden Marina – ihre Positionen eindrucksvoll-überzeugend ausleben. Letztendlich stellt es jedoch erwartungsgemäß ein schlagkräftiges Plädoyer für die Rechte einer diskriminierten Minderheit dar. Auf den Internationalen Filmfestspielen in Berlin wurde es als bestes Drehbuch mit dem silbernen Bären ausgezeichnet.
Lelio und seine Produzenten Juan de Dios Larraín und Pablo Larraín glückte es, eine Gruppe hochkarätiger Schauspieler zu verpflichten, die das trefflich inszenierte Werk auf Top-Niveau ausarbeiten konnten.
Der Film, der indiskutabel gelungen, aber sicher keine leichte Kost ist, kam nun zur genau richtigen Zeit in die Projektoren der Jury in Hollywood: Niemals zuvor hätte die Weltöffentlichkeit auf die dargestellte Problematik so sensibel reagiert wie heute.