Gesichte eines der größten deutschen Familienunternehmen
Vor 100 Jahren verstarb August Oetker, Apotheker und Unternehmer, der Gründer der Oetker-Gruppe. Was 1891 mit einer neuen Rezeptur des Backpulvers begann, entwickelte sich zu einem internationalen Konzern.
Von Peter Downes
August Oetker kam am 6. Januar 1862 in Obernkirchen (Niedersachsen) zur Welt. Sein Vater August Adolph Oetker war Bäckermeister, seine Mutter Bertha die Tochter eines Rechtsanwaltes.
Nach Abschluss des Abiturs 1878 am Adolfinum Gymnasium in Bückeburg ging er in die Lehre zum Apotheker in der Ratsapotheke in Stadthagen. Nach erfolgreichem Abschluss im Jahre 1881 ging er auf Wanderschaft, zunächst nach Langen bei Offenbach, später trat er in Hanau in einer Firma ein, die sich der Herstellung von Gerätschaften für Apotheken widmete. Dort lernte er seine spätere Ehefrau Caroline kennen.
August begann ein vierjähriges Naturwissenschaftsstudium in Berlin und setzte seine Forschungen an der Universität Freiburg fort, wo er eine Doktorarbeit in der Botanik zum Thema «Zeigt der Pollen in den Unterabtheilungen der Pflanzen-Familien charakteristische Unterschiede?» (1888) fertigstellte.
Eine Apotheke in Bielefeld
Seine ersten unternehmerischen Versuche in Berlin schlugen fehl. In dieser Zeit bildete seine Frau Caroline, die er im März 1889 heiratete, seine große Stütze. Im selben Jahr wurde dann sein Sohn Rudolf geboren. Es war auch ein entscheidendes Jahr in seinem Berufsleben, denn mit dem Wechsel nach Bielefeld und der Erwerb der Aschoffschen Apotheke begann der große Wandel.
Nun wurden nicht nur ärztliche Rezepte ausgeführt, sondern auch ein neues Backtriebmittel entwickelt. Aus dem Apotheker und Wissenschaftler August Oetker wurde ein Erfinder. In seiner Apotheke und der Bäckerei Müller entwickelte er ein neues Backpulver, das seit 1893 als «Backin» abgefüllt und verkauft wurde.
Mit der Rezeptur dieses oetkerschen Backpulvers legte August den Grundstein der noch heute so erfolgreichen Oetker-Gruppe. Mit der Patentierung seiner Rezeptur, am 21. September 1903, wurde sein «Verfahren zu Herstellung von dauerhaftem Backpulver oder backfertigem Mehl» ein Erfolgsrenner. Entscheidend war dabei seine Idee, das Backpulver in kleinen Mengen abzufüllen und es auf diese Weise an Privatkunden zu verkaufen. Aus der Apotheke wurde bald ein Unternehmen, so dass bereits 1900 die erste Oetker-Fabrik entstand.
Diversifizierung
1923 wurde die Fabrik Budenheim (1908 gegründet) vom Haus Oetker übernommen. Mit der Beteiligung an der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft im Jahre 1936 stieg die Firma Oetker im Schifftransportgeschäft ein, das lange Zeit den dominierenden Bereich der Oetker-Gruppe bildete. 2017 verkaufte die Oetker-Gruppe das Unternehmen Hamburg Süd an die dänische Reederei Maersk.
Der Tod seines Sohnes Rudolf im Ersten Weltkrieg und August Tod am 10. Januar 1918 zwangen Rudolfs Witwe Ida (gestorben 1944) dazu, die Geschäfte weiterzuführen. Nach ihrem Tod übernahm ihr Sohn Rudolf-August Oetker die Unternehmensleitung.
Dieser hatte bereits 1941 das Luxushotel Brenners´s Park-Hotel & Spa in Baden Baden erworben, wobei ein weiterer Geschäftsbereich in das Oetker-Unternehmen Eingang fand: Hotels.
Mit dem Erwerb des Bankhauses Lampe aus Minden in 1949 und deren Verlegung nach Bielefeld eröffnete sich ein weiterer Geschäftsbereich von Oetker. Mit der Gründung des Dr. Oetker Verlags (1950) wurden fortan Koch- und Backbücher vertrieben. In die Bierherstellung und den Getränkemarkt trat die Firma mit dem Erwerb der Bank für Brauindustrie im Jahre 1952 ein. Durch die Aktienmehrheiten dieser Bank an Brauereien in Frankfurt, Dortmund und Berlin und den Erwerb der Biermarke Radeberger-Pilsener wurde der Grundstein des heutigen Bierbereichs gelegt: der Radeberger Gruppe.
Im Jahr 1958 wurde dann die Söhnlein Rheingold KG erworben und auch die Firma Henkell & Co, so dass nun auch Sekt und Wein zum Portfolio der Oetker-Gruppe zählten.
Internationalisierung
Unter der Geschäftsleitung von August Oetker, dem Urenkel des Firmengründers, ab 1981, begann die Internationalisierung des Unternehmens. Seit 2010 leitet sein Bruder Richard die Geschäfte der Oetker-Gruppe.
Was mit dem «Backin» begann, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem der größten europäischen Familienunternehmen. Heute beschäftigt die Oetker-Gruppe mehr als 32.000 Mitarbeiter und kann einen Umsatz von 12 Milliarden Euro vorweisen (Daten von 2016).
Aus dem «Pudding-König» Oetker hat sich ein internationales Großunternehmen gebildet. Mehr als 400 Firmen bilden nun Teil der Oetker-Gruppe. Das Backpulver spielt kaum noch eine Rolle im Geschäft. Dennoch sind In vielen deutschen Familien die Produkte Oetkers noch heute präsent.