«Die Art, wie wir leben, wirkt sich körperlich aus.»
Es ist wieder die Zeit der Studienbewerbungen in Chile. Dr. Monika Greiner hat zu diesem Anlass eine klare Aussage: Studiere, was dich glücklich macht. Wenn etwas dein Herz erfüllt, dann mache es – auch wenn du damit nicht Millionär wirst.
Von Petra Wilken
Diesen Rat hat Monika Greiner (45) den Schülern bereits zweimal beim «Tag der Berufe» in der Deutschen Schule Santiago mit auf den Weg gegeben. Die Schule organisiert regelmäßig Vorträge von Eltern unterschiedlicher Berufsgruppen, in die sich die Schüler der 10. Klassenstufe je nach Interesse einschreiben können. Monika Greiner gehört zur Gruppe der Naturwissenschaftler. Ihr Beruf ist nicht sehr verbreitet. Sie ist Biochemikerin.
Mit ihren Studien hat sie zu bedeutenden Erkenntnissen für die Frauenheilkunde beigetragen. Sie hat daran mitgewirkt, den wissenschaftlichen Nachweis zu erbringen, dass anhaltende nervöse Angstzustände und Anspannung Eierstock-Zysten verursachen können.
Obwohl die wissenschaftliche Forschung sie glücklich macht, wie sie sagt, hat sie sie ihren Töchtern zuliebe wieder aufgegeben. «Forschungsstudien sind sehr aufwendige Arbeiten. Ich wollte meinen Töchtern mehr Zeit widmen», erklärt sie ihre Entscheidung. «Ich will nicht, dass sie irgendwann an die Uni gehen und ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben». Ihre älteste Tochter Martina ist inzwischen 16, Sabine 15 und die jüngste, Simone, ist 5. Alle drei gehen auf die Deutsche Schule Santiago.
Nortina mit deutschen Vorfahren
Monika Greiner hat The Antofagasta British School besucht. Sie gehört zu den wenigen Deutsch-Chilenen, die im Norden aufgewachsen sind. Ihr Vater war ein deutschstämmiger Geologe, der mit elf Jahren nach Chile gekommen war. «Es war die Nachkriegs-Migration aus Schlesien», erklärt sie. Die Familie mütterlicherseits stammt auch aus Schlesien, gehörte jedoch schon zur ersten Migration in den Süden 1850: «Anton Gebauer ist auf dem Denkmal der deutschen Einwanderung am Llanquihue-See verewigt», erzählt sie.
Sie selbst jedoch ist mit Haut und Haar «Nortina». «Ich bin stolz darauf, aus dem Norden zu sein», betont sie. «Mein Vater hat seinen Beruf als Geologen geliebt. Durch ihn habe ich die Gesteine kennengelernt, die mich fasziniert haben. Ich liebe die Farben der Wüste». Als sie neun war, kam Martin Schäfer in ihre Klasse. Er war mit vier Jahren aus Deutschland nach Antofagasta gekommen. Die beiden kennen sich heute seit 36 Jahren. Als sie 26 Jahre alt waren, haben sie geheiratet.
Doch da lebten beide bereits in Santiago. Monika Greiner war mit 17 aus Antofagasta weggegangen, um an der Universidad de Chile Biochemie zu studieren. Die Hälfte der Studierenden waren Frauen, doch in die Forschung gingen mehr Männer als Frauen. Monika Greiner erklärt das mit der hohen Arbeitsbelastung. Sie selbst hat das während ihrer Doktorarbeit erfahren, die sie ebenfalls an der Universidad de Chile absolvierte.
Stress fürs Nervensystem
Für ihr Vorhaben hatte sie ein Stipendium der staatlichen Förderagentur für wissenschaftliche Forschung und Technologie, Conicyt, erhalten. In Tierversuchen mit Laborratten hat sie nachgewiesen, dass anhaltende Stresssituationen das Nervensystem derart beeinflusst, dass es den weiblichen Zyklus verändert, es zu Störungen beim Eisprung kommen und Zysten in den Eierstöcken entstehen können, was schließlich sogar zur Unfruchtbarkeit führen kann.
«Man denkt immer, das Nervensystem ist im Kopf angesiedelt. Aber das periphere Nervensystem verläuft durch den gesamten Körper. Die Art wie wir leben, wirkt sich letztendlich auf physischer Ebene aus», erklärt sie. Anhaltender Stress in Form von nervösen Angstzuständen (ansiedad auf Spanisch) findet also nicht nur im Kopf statt, sondern kann körperliche Veränderungen verursachen, die sogar dazu führen, dass Frauen unfruchtbar werden. Dieser Zusammenhang wurde vorher aufgrund von Statistiken vermutet. Die Laborversuche von Monika Greiner haben demonstriert, wie das konkret abläuft und welche biochemischen und physischen Veränderungen stattfinden.
Auswirkungen unseres Lebensstiles
«Derartige Forschungen sind die Grundlage für die Lösungssuche. Wenn wir die körperlichen Vorgänge verstehen, können wir die entsprechenden Heilmittel suchen, die dann in der Medizin eingesetzt werden», erklärt sie, was sie an ihrem Beruf reizt. Im Fall der neuroendokrinen Veränderungen in den Eierstöcken werden zum Beispiel kleine Stellen verätzt, damit die Neurotransmitter (Botenstoffe, die für die synaptische Übertragung auf andere Zellen zuständig sind, Anmerk. d. Red.) nicht mehr schädlich wirken können.
«Derartige Störungen haben letztendlich mit unserem Lebensstil zu tun», schließt die Biochemikerin. Sie selbst trifft sehr bewusst die Entscheidungen über ihr Leben. So hat sie sich für einen Teilzeitjob als Koordinatorin der Kurse für pathologische Physiologie an der Universidad Mayor entschieden.
Und zusammen mit ihrem Mann haben beide entschieden, in Santiago zu bleiben und nicht nach Antofagasta zurück zu gehen, weil sie wollten, dass ihre Töchter eine deutsche Schule besuchen konnten. «Uns beiden gefällt die Bikulturalität und das Aufrechterhalten der deutschen Kultur in unserer Familie. Deshalb war die Deutsche Schule sehr wichtig für unser gemeinsames Lebensprojekt.»