Die Hohe Schule der Pferdedressur auch im Andenland

Als wir zu unserm alljährlichen Besuch der Semanas Musicales nach Frutillar aufbrachen, gab uns ein Freund den Rat mit auf den Weg, uns nach einer Lipizzanerzucht in der Nähe von Purranque zu erkundigen. Das solle etwas sehr Schönes sein.
Von Alfred von Reiswitz
Das Internet half uns, den «Haras Tronador» zu finden. Man braucht nur von Purranque aus dem Camino Coihueco bis zum Km 15 zu folgen, was wir an einem sonnigen Nachmittag dann taten. Dort trafen wir auf ein sehr gepflegt wirkendes, großzügiges Anwesen, in das wir uns, frech wie Oskar, durch ein offenes Tor selbst einließen und vor einem Gebäude unser Auto parkten.
Noch hatten wir keinen Menschen gesehen, so dass wir uns in dem Gebäude, das als Remise ein halbes Dutzend sehr schöner alter Kutschen beherbergte, auf die Suche begaben. Wir fanden einen Angestellten, der uns an ein anderes Haus verwies, wo wir eine freundliche junge Dame trafen, die die Öffentlichkeitsarbeit der Institution betreibt, auf Neu-Deutsch die Public Relation Managerin. Sie erzählte uns nicht nur die Entstehungsgeschichte und alles, was sonst an dieser Initiative interessant ist, sondern geleitete uns in die Dressurhalle, wo wir dann zwei Stunden begeistert dem Training zuschauen durften.

Doch zunächst die Frage: Wie kommt eine Lipizzanerzucht nach Chile? Der bekannte chilenische Unternehmer Nicolás Ibáñez (früher Miteigentümer der Líder-Kette) gründete dieses Projekt als Stiftung (Fundación) mit der Absicht, in dieser südlichen Region die hohe Schule der Lipizzaner-Dressur bekannt zu machen und die Liebe zum Pferd zu fördern. Dabei war von Anbeginn die Spanische Hofreitschule Wien sein Vorbild, mit der er eine enge Zusammenarbeit vereinbaren konnte.

Im Jahr 2010 brachte er trächtige Stuten von den Gestüten in Österreich und Ungarn, die Lipizzaner für die Hofreitschule züchten, nach Purranque. Um es kurz zu machen: Inzwischen arbeiten hier 38 Personen, die sich um die insgesamt 41 reinrassigen Lipizzaner kümmern, die Mehrzahl davon junge Hengste, die von den Reitern unter der fachkundigen Leitung des pensionierten Obersten der Kavallerieschule Quillota, Óscar Coddou, in der Hohen Schule der Dressur ausgebildet werden. Er war selbst oft in Wien und – welch glücklicher Zufall – als wir dort waren, hatte die Escuela Clásica Lipizzana de Chile zum ersten Mal den Oberbereiter (Jefe de Maestros) der Hofreitschule, Andreas Hausberger, für eine Woche zu Gast. Er leitete das Training und sagte auf meine Frage, wie die Qualität der Reiter und Pferde sei, da gäbe es nichts auszusetzen!

Da wir so begeistert von dem Erlebten waren, beschlossen wir, eines der Konzerte in Frutillar sausen zu lassen, um zu einer der regelmäßigen Vorführungen zu kommen (jeden Samstag im Februar um 12 Uhr, Einlass um 11). Obwohl eines der bestausgebildeten Pferde leider kränkelte, war es eine bravouröse Vorstellung, die man jedem Pferdeliebhaber und solchen, die es werden wollen, nur empfehlen kann. Wenn man allerdings bedenkt, dass man Karten für die Hofreitschule in Wien viele Monate im Voraus bestellen muss und hier von circa 500 Plätzen nur etwa 160 belegt waren, dann ist es an der Zeit, ein wenig Werbung für diese tolle Initiative zu machen, die obendrein einmalig in ganz Amerika ist.
Webseite: www.fundacionlipizzanachile.cl