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Geschichte der Eisenbahnprojekte und die derzeitigen Vorhaben

Kommt die Schnellbahn Santiago – Valparaíso?

Seit der letzten Ansprache von Staatspräsident Piñera ist die Diskussion über den Bau einer schnellen Eisenbahnverbindung zwischen Valparaíso und Santiago wieder aufgeflammt. Sie ist nicht neu.

In Valparaiso Puerto einfahrender Zug

Diskussionen um eine Eisenbahnverbindung von Santiago und Valparaíso hat es bereits zahlreiche gegeben: Nach meinen Unterlagen hat es seit der offiziellen Eröffnung der heute bestehenden und ab 1986 für den Personenverkehr gesperrten Strecke sage und schreibe elf Projekte gegeben, die sich intensiv mit dem Bau einer schnellen Verbindung beschäftigt haben. Keines dieser Projekte ist je über den Stand einer Diskussion unter Technikern und Politikern hinausgekommen. Alle schlummern in irgendeiner Schublade des Ministeriums für Öffentliche Bauten oder in der Direktion der Staatsbahn.

Die heute bestehende und nur noch vom Güterverkehr benutzte Eisenbahnstrecke über die Cuesta El Tabón wurde am 14. September 1863 nach elfjähriger Bauzeit dem öffentlichen Betrieb übergeben. Man mag sich heute fragen, warum die Bahn damals in weitem Bogen – sozusagen im Norden herum – nach Santiago gebaut wurde und man nicht den direkten Weg genommen hatte. Darauf gibt es mehrere Antworten: Einmal wollte man den Bau kostspieliger Tunnel vermeiden – hatte wohl auch nicht die Erfahrung für ein solches Vorhaben – und diese wären bei einer Verlegung über Casablanca und Curacaví oder auch über die Cuesta La Dormidaunvermeidbar gewesen. Dann spielten in jenen Zeiten die paar Stunden Bahnfahrt keine Rolle, verglichen mit der zwei bis drei Tage währenden, sehr strapaziösen Kutschenfahrt oder dem Ritt hoch zu Ross. Und es galt – sehr wichtig – die Frachten des fruchtbaren Aconcagua-Tales mitzunehmen. Eine Eisenbahn ist nun einmal mehr auf die Beförderung von Fracht als auf die von Personen angewiesen.

Nach dem zweiten Weltkrieg kamen Triebzüge aus dem Hause Linke-Hofmann-Busch zwischen Valparaiso und Limache zum Einsatz. Sie waren in den Jahren 1940 bis 1947 in Breslau und Salzgitter gebaut worden.

Die kürzeste Verbindung von der Hafenstadt Valparaíso zum Regierungssitz Santiago wäre schon damals über die Cuesta La Dormida gewesen, aber eine Verlegung über den Berg oder gar ein Tunnel waren für damalige Verhältnisse unbezahlbar und technisch auch nicht zu meistern. Sogar an die Schweizer Bergtunnel wagte man sich erst viel später.

Kaum war die Bahn vollendet machte man sich auch schon Gedanken wie man das schneller machen könnte, und wieder stand die Cuesta La Dormida zur Debatte. Eine erste Verbesserung der Bahnverbindung Valparaíso – Santiago ergab sich aus der Elektrifizierung, die im Jahre 1924 abgeschlossen wurde. Es war die erste elektrische Fernbahn in Südamerika. Merklich verringerten sich die Fahrzeiten, die erhöhte Zugkraft der elektrischen Lokomotiven ermöglichte es, auch schwere Züge ohne «Schiebelok» über die Cuesta El Tabón zu schleppen. Aber es blieb bei der langen Strecke, der «Rápido» ohne Zwischenhalte ab Viña del Mar benötigte immer noch mehr als zwei Stunden bei gehöriger Schaukelei seiner Fahrgäste.

Das Projekt Cuesta La Dormida von 1953

Es sollte nicht bei der Elektrifizierung bleiben, nach vielem Hin und Her legte der Ingenieur Ramón Reyes Navia im Auftrage der Staatsbahn im Jahre 1953 ein realisierbares Projekt für den Neubau einer Verbindungsbahn zwischen Tiltil und Villa Alemana vor, das eine Verkürzung der Strecke von 186 auf 121 Kilometer vorsah. Die Cuesta La Dormida sollte mittels eines 16 Kilometer langen Tunnels durchquert werden. Als Folge einer Verminderung der Steigungsabschnitte und Begradigung der Kurven und die damit erreichbaren höheren Geschwindigkeiten hätten die damals zur Verfügung stehenden Lokomotiven die Entfernung von Santiago nach Valparaíso in wenig mehr als einer Stunde geschafft. Dabei wurde eine mögliche größere Anhängelast berücksichtigt, da man mit einer Zunahme an Reisenden von 30 Prozent und 37 Prozent mehr Frachtaufkommen rechnete. Man hoffte, dieses Verkehrsvolumen von Bussen und Lastwagen zurückzugewinnen. Die Kosten des Projektes beliefen sich auf ungefähr 25 Millionen US-Dollar.

Streckenplan der Eisenbahn Santiago-Valparaiso von 1953. Das neue Projekt «Conexión Ferroviaria Santiago – V Región» folgt der gleichen Linienführung.

Das Projekt Lipangue aus den 1980er Jahren

Ein anderes erwähnenswertes Projekt wurde in den 1980er Jahren vom Chefingenieur der Chilenischen Staatsbahnen, Diplomingenieur Atilio Bavestrello, vorgelegt. Unter der Bezeichnung Proyecto Lipangue sah es den Neubau einer 108 Kilometer langen Bahnstrecke durch das Bergmassiv bei Lipangue (hinter dem Flugplatz Pudahuel) und durch die Täler von Curacaví und Casablanca vor.

Der Berg bei Lipangue sollte durch einen zwanzig Kilometer langen Tunnel durchbrochen werden, überhaupt hätte die Hälfte der neuen Bahnlinie in Tunnel gelegen, erinnert dadurch ein wenig an die neuen ICE-Bahnen in Deutschland, die ja zum Teil nur durch Tunnel und über Brücken führen. Man rechnete mit einer Fahrzeit von einer Stunde von Santiago nach Valparaíso.

Bei Errechnung der Kosten beider Bahnprojekte ging man davon aus, das rollende Material von der alten Bahn übernehmen zu können, sodass Neuanschaffungen nicht nötig gewesen wären. Auch dieses Projekt mit Kosten von etwa 600 Millionen US-Dollar wurde nicht realisiert.

Die Conexión Ferroviaria Santiago – V Región

Das Konsortium Conexión Ferroviaria Santiago – V Región schlägt nun eine Linienführung vor, die grundsätzlich vor 66 Jahren als Variante Cuesta Dormida schon einmal durch die Köpfe der Ingenieure der Staatsbahn gelaufen war, aber nicht verwirklicht wurde. Hinzu käme jetzt die Anbindung an den Flughafen, eine Notwendigkeit, die heute wohl alle Flugreisenden für dringend halten, so wie wir das von den großen Vorbildern Frankfurt/Main, München, Paris, London-Heathrow kennen. Das Gerangel zwischen Fluggästen, ankommenden und abfahrenden Autos, Bussen und anderen Transportmitteln, der Kampf zwischen autorisierten und illegalen Taxis am Flughafen Pudahuel macht wirklich keinen guten Eindruck auf den einreisenden Fremden. Ein Vorteil dieses Projektes wäre natürlich, dass eine Anbindung an das bestehenden Eisenbahnnetz gegeben wäre, Personenverkehr also weit über Santiago hinaus und auch in Richtung Viña del Mar und Valparaíso eingerichtet werden könnte. Nicht zu vergessen sei der Frachtverkehr vom Flugplatz, der heute schon beträchtliche Mengen angenommen hat.

Die neue Linienführung führt unter dem Flughafen hindurch etwa bis Tiltil. Dort soll die Cuesta La Dormida in einem ca. 16 Kilometer langen Tunnel unterfahren und dann weiter an Olmué vorbei bis zum Anschluss an die bestehende Bahn bei Limache laufen. Das ist alles entspricht in etwa einer Neuauflage des Projektes von Ramón Reyes Navia des Jahres 1953. Eine gerade Streckenführung, Erweiterung der Kurven usw. könnten Geschwindigkeiten bis 200 km/h gestatten. Die Kosten des ProjektesConexión Ferroviaria Santiago – V Región würden rund 2 Milliarden US-Dollar betragen.

Von 1924 bis 1986 bewältigen die E-Loks aus dem Hause Baldwin-Westinghouse den Zugverkehr zwischen Ssantiago und Valparaiso.

Das Projekt Tren Valparaíso – Santiago TVS

Das andere Projekt, vorgelegt von «Tren Valparaíso – Santiago TVS» des  Konsortiums SIGDO-Koppers und der China Railway Group halte ich für weniger angebracht, erstens weil es den Flugplatz-Verkehr nicht berücksichtigt und zweitens weil es an eine U-Bahnstation (Estación El Sol) der Linie 1 anschließt, die jetzt schon stark überlastet ist. Der Güteraustausch soll offenbar im Bahnhof Nos erfolgen. Dort könnte eventuell auch auf den Metrotren Santiago – Nos umgestiegen werden. Vorteil dieser Lösung wäre eine Anbindung des Hafens San Antonio, die im anderen Projekt nicht vorgesehen wäre.

Nähere technische Einzelheiten der Linienführung und Ausrüstung scheinen noch nicht endgültig festzuliegen, jedenfalls wurden sie noch nicht veröffentlicht. Offenar sehen die Unternehmer ihr Geschäft mehr im Frachtverkehr, also im Transport von Containern, als im Personenverkehr. Höhe der Kosten: rund 2,4 Milliarden US-Dollar.

Und was machen wir mit dem Flugplatz?

Ein Verlängerung der im Projekt befindlichen U-Bahnlinie 7 zum Flugplatz erscheint keine günstige Lösung, da die mit Fluggästen einschließlich Gepäck vollbesetzten Züge den später auf der Strecke Zusteigenden kaum noch Platz lassen würden, es sei denn man verlegt getrennte Gleise mit Bahnsteigen für «Lokalzüge». Für Züge des Projektes Cuesta La Dormida dagegen gäbe es günstige Umsteigemöglichkeiten auf die neue U-Bahnlinie 7, auf die bestehende Linie 5 (Estación Quinta Normal) und auf die Linie 1 (Estación Central). Außerdem könnten Züge vom Flugplatz bis nach Nos oder gar Rancagua durchfahren, abgesehen von der direkten Verbindung nach Viña del Mar und Valparaiso.

Wer soll das bezahlen?

Die in der Tagespresse veröffentlichten scheinen jetzt schon ein negatives Vorurteil aufkommen zu lassen. Sollten die Tarife im Personenverkehr Santiago – Valparaíso wirklich erheblich über den augenblicklichen Tarifen der Busse liegen, so wird die neue Eisenbahn kaum mit einem zufriedenstellenden Verkehr rechnen können. Heute haben Zählungen 30 Millionen Fahrten jährlich zwischen Santiago und dem Großraum Valparaíso ergeben, davon 54 Prozent per Auto und 46 Prozent per Bus. Nicht alle werden auf den Zug umsteigen, und schon gar nicht, wenn er bedeutend teurer als der Bus sein sollte. Bei der Vorgabe für beiden neuen Projekte ist man offensichtlich von den Vorbildern der Verträge der lizensierten Autobahnen ausgegangen, aber wäre das in diesen Fällen der richtige Weg? Vielleicht könnte ein System zur Anwendung kommen, das wir aus Deutschland kennen, ein Verbundtarif auf der Basis der Gebietskörperschaften. Es bietet bequeme Verbindungen und holt die Autofahrer von der Straße.

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